Sommer, also

Ein Tag voller Wärme im Juli. Hektisch hüpfen Schweizer mit ihren Grillgeräten...

18th Jul
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Ein Tag voller Wärme im Juli. Hektisch hüpfen Schweizer mit ihren Grillgeräten in Naturnahe Gebiete, sie werfen sich Würstchen zu, Kinder blasen Wasserbälle auf, der Plastikpool wird gefüllt, das Bier kaltgestellt. Schnell nur schnell, denn im Tagesverlauf ist mit zunehmender Bewölkungsverdichtung, anschließenden Gewittern und einem Temperatursturz zu rechnen. Seit Mai versuchen Wettermoderatoren die Betrachter zu besänftigen, sie reden von dieser und jener Kaltfront, und zwinkern, wenn sie schließlich auf die kommenden Wochen verweisen, die uns sicher einen aberwitzig guten Sommer bringen. Das tun sie, um die Menschen vom Suizid abzuhalten, denn verdammt: die Menschen, die frieren. So sieht das doch aus, das ist der real existierende Sommer, auf den wir hofften. Wir verbrennen Schneemänner im Frühling, der kalt ist und nass, und wir hoffen, und wir schließen die Augen im Juni , es regnet und wir hoffen, und wir drehen die Heizung hoch, draußen regnet es, es ist bald Juli und wir hoffen, so wie der Einsame sich nach einer neuen Liebe sehnt, nach großen Gefühlen, die ein älterer Mensch nicht mehr herzustellen vermag, die Hormone werden schwächer, doch die Erinnerung bleibt stark und strahlend. Wir hoffen auf den Sommer, den richtigen, an den wir uns erinnern, aus der Kindheit ,Regen und Langeweile haben wir gelöscht, die Abhängigkeit vergessen, so wie den Schmerz der Verliebtheit. Geblieben in unserem Hirn ist etwas Goldenes, das nicht mehr geliefert wird.

Früher. Da waren immer Felder und Fahrräder und Pinien und Eis, wenn wir aus dem Teil in der Welt stammen, in dem Kinder in Eisproduzierende Pinienländer reisen konnten. Die anderen müssen ihre Erinnerung mit Kiefern ausstatten, und Heulballen, und Gerüchen dampfender Erde. In der Erinnerung an den Sommer gibt es keine Angst vor Regen und Temperaturstürzen. Der richtige Sommer aus der Erinnerung fand zu Hause statt und hatte mit geschlossenen Fensterläden zu tun und mit leeren Stunden und Asphalt, und einer fiebrigen Erwartung. Keine Ahnung, was wir gemacht haben, es waren immer Ferien, unendlichen Ferien, so wie wir uns für immer jung wähnten, an kleinen Seen die nach Brack rochen und Schilf unter den Füssen und klebrigen Händen. Verdammt murmeln wir, in den real existierenden Regen starrend, der nichts mit einem Sommerregen zu tun hat, das ist klarer November, verdammt, sind wir soweit, das wir die Kindheit verklären. Bald beginnen wir über die Kuchengerüche in Großvaters Landbäckerei Gedichte zu schreiben, und treten Nationalistischen Parteien bei, im Glauben, das alles Neue ein Verderben bringt. Das Neue ist, das wir glauben, es gäbe kein Wetter mehr. Das Wetter haben uns sicher auch die Deutschen kaputtgemacht.

Den Sommer als Zustand irdischen Glücks können wir uns nur noch kaufen. In Flugzeugen erfliegen, zu kleinen Pensionen am Meer, im Süden irgendwo, da wir immer als Touristen erkennbar sind, und wo es immer zu heiß ist, wo wir immer mit Mückenstichen und Rötungen, mit unpassender Kleidung Fremde sind, die Verrückten, die sich Mittags draußen aufhalten. Zwei Wochen Sommer mit Sonnenbrand, Pinien, Zykladen, Pizzen, Sand und einer unendlich erfreulich Langeweile, dieser Sorte die nur durch zu viel Sonneneinstrahlung entsteht. Egal ob wir am Meer schwitzen oder irgendwo in den Bergen, in Grasse, sagen wir einfach in Grasse, da kann man hervorragend schwitzen und durch Gassen laufen, in der alte Steinhäuser unter Tags gebunkerte Hitze abstrahlen. Momente der Perfektion, die in den durchwachten, weil zu heißen Nächten von Trauer bestimmt sind, einer leisen, die raunt: es ist nur geborgt. Dein Glück ist geborgt, dein Sommer auch, es geht alles vorüber und, na, Mensch siehst du, du kannst es nicht genießen, wenn du um die Endlichkeit weißt.

So viele schwärmen von der Idee des Auswanderns, auch wir betrachten Immobilienangebote in der Toskana. Wandern im Internet durch Straßen auf Hawaii, und in Thailand. Doch dann fragen wir uns, und dann? Dann sitzen wir in Thailand, haben es warm und neben uns tagt die Schweizer Pattaya Fraktion einer Partei, und ältere Herren haben seltsame junge Mädchen neben sich wegen der Liebe. Und wir erkennen, das man irgendwann zu träge ist, um neu zu beginnen, nur wegen ein wenig Witterung und morgen soll es.. Morgen wird es dann doch nichts mit der Hitze, aber nächste Woche soll sich der Tiefausläufer verziehen. Wir hoffen. Der Sommer ist zu etwas metaphorischem geworden, zum Traum des perfekten Daseins in einer luziden Umgebung die nur aus freundlichen halbnackten Menschen besteht, und Sommerlöchern in den Medien, in denen Raum für solche Texte ist, weil es gerade keine Eurokriese gibt und keine Rohstoff Handels -Horrormeldungen, keine Ausbeutungen anderer Menschen und Länder, kein Untergang, kein Blade Runner Wetter vor der Wohnung die vielleicht bald nicht mehr unsere ist, weil das Viertel genderifiziert wurde. Von jungen federnden Rohstoffhändlern die keine Träume brauchen, weil sie verdammt noch mal ihre Träume leben, die in klimatisierten Limousinen stattfinden. Wir sehen in den Regen, und sind Erwachsen und auch da hoffen wir noch, dass sich alles richten möge, wenn Innen und Außen deckungsgleich werden, wenn wir uns endlich erwachsen fühlen würden, bräuchten wir auch die Hoffnung auf den Sommer nicht, um endlich das Leben zu beginnen, das wir uns vorstellen. Irgendwann wird alles gelöst werden. Das Rätsel unserer frierenden Existenz. Das Licht wird unsere etwas zu dunkel Wohnung fluten, und wir werden um das intensives Sein, mit Glücksgefühlen wissen, die man bei angedrehter Heizung im Juli einfach nicht erzeugen kann.

Dieser Text über den Sommer, im Sommer geschrieben, am Strand geschrieben, weit entfernt von zu Hause, ich sehe den Wetterbericht, Regen Achtzehn Grad. Aber nächste Woche soll es besser werden.

Bald geht es wieder los

Das vorherrschende Gefühl am ersten Abend meines Bayreuth Aufenthaltes ist ANGST. Umzingelt...

14th Jul
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Das vorherrschende Gefühl am ersten Abend meines Bayreuth Aufenthaltes ist ANGST. Umzingelt von Männern die im besten Falle Stoiber,bei ungünstigerer Ausleuchtung Mengele sein könnten. Gegerbte, braune Gesichter und Smokings, weiße Haar akkurat über die hohe Stirn gelegt, die Gattin dazu könnte sehr gut in einem Freikörperverein Schönheitstänze machen, und kleine Fahnen schwingen. Und was haben die nur an? Warum sehen die Trikotagen, in der BUNTEN nennt man es Roben, aus, wie aus einem Sack für die Altkleidersammlung. Das knittert das Zeug, schlägt Falten, ist zu kurz, lange Kleider bis zum Knöchel und goldenen Sandalen, das geht doch alles nicht, soll das reich aussehen? Gibt es ein Kind, dann heißt es Carsten-Alexander und hat einen Seitenscheitel.

Wir fahren im Oldtimer Bus auf den grünen Hügel, vorbei an Burschenschaften,überall Deutschlandflaggen, hängen die da noch vom Fußball, oder wurde für Wagner gehisst? ANGST.

Ich weiß, um mich im Vorwege zu entschuldigen, und jenen , die an ernsthafter Wagnerkritik interessiert sind,Zeit zu schenken, weder über Opern, noch über Stoibers Gattin Bescheid, man kann nicht alles können, langt es doch , das ich die Relativitätstheorie begreife und 18 Fremdsprachen beherrsche. Die Freude an klassischer Musik, dachte ich immer, würde sich irgendwann im Alter einstellen, sowie die Vorliebe für Mobiliar. Ich glaubte , das ich irgendwann in meiner Bibliothek sässe, ein Baccaradglas mit irgendwas in der Hand, und Schubert Liedern lauschte,oder Wagner bei trüber Witterung. Semmelblonde Kinder sprängen mit altklugen Gesichtern in meiner Holzbodenwohnung herum und würden sagen: Mamon ( also französisch) das ist aber eine schlechte Aufnahme der Todesvariationen. Das Adagio ist verschleppt.

Allein kam mit dem Alter weder Freude an überbordendem Mobiliar, noch an Musik. Eher immer weniger Musik, immer weniger Möbel, denn das Bewusstsein das einer all das Gerümpel zu entsorgen hat ,in Kopf und Behausung, verleidet mir als höflichem Mensch ausuferndes Konsum und Kaufgebaren. Wagner hieß für mich DEUTSCH, braun, Kitsch, Neuschwanstein,Walhalla, Schäferhunde, die Tochter von F-J.Strauss-alles Dinge, die uninteressant waren.

 

Die Gesellschaft in der ich mich vor dem Opernhaus befand, tat nichts , um Vorurteile zu entkräften. Der erste Abend: Tristan und Isolde von Marthaler. Und nach 10 Minuten werde ich bleischwer. Mit Marthaler-Inszenierungen geht es mir wie mit manchen Menschen. Sie bieten nur die Tageszeit, und ich falle in ein Halbkoma. Es stehen Stühle anstelle der sonst üblichen Bürotische herum, Tristan sieht aus wie Konsul Weyer, Isolde singt sehr laut , nein, nichts dagegen, singen können sie, das Orchester aus der Versenkung hat einen nie gehörten Klang, aber wie sieht das nur aus? und wozu muss man inszenieren,wenn die Leute dann eh nur auf der Bühne stehen und singen. Neonröhren schweben am Himmel, wackeln hin und her, und diese muffige Vätergeneration Dekoration, dieses 68 er Trauma-Interessiert mich das, dieses DDR Elend. DDR bin ich selber.Es war eine andere Revolution, in einer anderen Zeit.

Die Langeweile macht jeden Muskel kribbeln, Schmerzen in Rücken, Gliedmassen, Links und rechts Reihen voller verzückter Stoibers. Wie kommt man hier raus. Zu Tode langweilen, endlich weiß ich was das heißt: lieber sterben wollen, als das weiter erleben zu müssen. Eine Dame hat einen Kollaps und wird unter lautem Gerumpel entsorgt. Oh ja, man reiche mir einen einen Kollaps.

Erregt das jetzt wirklich die Zuhörer? Ihre beherrschten Gesichter verraten nichts darüber. Ist Wagner Rock für emotional Unterentwickelte? Geraten sie außer sich, wollen tanzen , schreien, ein Leben im Takt dieser Musik? Was immer es ist, ich werde es an jenem ersten Abend nicht lösen.

 

Bayreuth ist eine Perle in Bayern. Oder auch: die größte technische Revolution, auf die ein Urinstrahl treffen kann. Entschuldigung, das gehört nicht hierher, Werbung im Hotelzimmer TV, was man im Fernsehen alles sagen darf ohne bombardiert zu werden, Bayreuth also sieht unendlich reich aus. Das Fichtelgebirge lappt in der Umgebung, die Häuser geputzt und renoviert, berauschend schöne 30er Jahre Villen in grünen Seitenstraßen , und das wiederaufgebaute Haus Wagners.

Alleen, ein Park, und hier wird mir Wagner sympathisch. Er kann ja nichts für seine Fans. Ich sitze in der Bibliothek, irgendeine Wagnermusik rollt durch den Raum, in den Park, und will etwas ganz Großes. Das hat nicht mit deutsch zu tun, oder vielleicht doch, und da wäre ohne Hitler auch nichts falsch daran gewesen. An diesem ernsthaften Volk in der Mitte, nicht verrückt wie die Nordländer, zu kalt um als Südländer durchzugehen. Zu groß um sich selber ignorieren zu können. Ersthafter Wald, ernsthafte Kunst, ernsthafte Philosophen, schwere Menschen mit rechteckigen Gesichtern, die in ihrer guten Ausprägung vermutlich nach etwas Herem suchten, DER DEUTSCHE WALD. Die Reinheit der Kunst. Dieses ringen sich selber zu verlassen, sich zu erheben, über die Trivialität des Lebens, des sterbens, die albernen Jahre dazwischen. Es wäre doch alles nicht schlimm gewesen, wenn sie einfach sonor über Schopenhauer diskutierend auf Kreidefelsen herumgestanden wären, wie Stöcke, aber dann kam wieder der Mensch dazwischen, der sich denkt, wenn ich schon mehr denke als andere Völker und weniger Spaß habe, dann bedeutet das, das ich ihnen überlegen bin. Dann muss doch die ganze Welt so aussehen. In Gehröcken Haltung bewahrend, Meister der Beherrschung, größte Verleugner des Originaltones. Was ist nur aus den Deutschen geworden? Wie traurig ist das alles. Diese Fettwurst essende Gemeinschaft von Fußballprolls. Hurra wir sind Deutschland, und wir sind stolz darauf. Worauf nur ihr Dumpfbacken? Das wir die Fahne wieder ansehen können , ohne uns zu übergeben? Das sich das Land von allem Dreck reinigt, braucht sicher noch hundert Jahre, denke ich, als ein Bayreuther mir auf dem Fahrrad auf dem Fußweg entgegenkommt, nicht ausweicht, brüllt-rechts gehen. Fast rauscht mein rechtes ärmchen gen Himmel. Die müssen erst alle aussterben, diese Scheisskriegsgeneration, mit ihrem Glauben an alles was von oben kommt, an Gesetze und links und rechts, und nur nicht selber denken, das ist heute deutsch, und das gehört weg. Dann wird das vielleicht wieder ein normales Land. Mit vielen dummen Menschen wie überall, und ein paar Guten, die versuchen die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Im Haus Wahnfried, ich liebe diesen Namen, wenn ich Kinder bekomme, werde ich sie alle so nennen, lese ich die Notizen zur Parsifal Inszenierung von Schlingensief, geschrieben von seinem Dramaturgen Carl Hegemann. Und Wagner wird mir durch diesen Text noch verständlicher. Diese große Albernheit des Lebens, egal ob man Künstler ist, versucht sich und anderen eine Idee oder eine Möglichkeit zur Verdrängung zu geben, man wird vermodern, Maden werden tanzen, in uns allen, und dumm, wem das nicht täglich klar ist. Die Musik in Wagners Nachbaubibliothek bekommt etwas schweres, sehnendes. Das war dem doch egal, diese Stoibergattinen, die Fans die Bausch und Glorie sehen wollen, nur den eigenen Stuhlgang verdrängend, da konnte er doch wirklich nichts dafür. Die Vereinnahmung durch Hitler, sicher kann man in jeder Kunst das Trivialste herausfiltern. Es ist auch ziemlich egal, wie Wagner war, als Mensch ist er uninteressant, es zählt nur, was einer tut, das allein kann einen kleinen Einfluss haben, einen Lichtstrahl, ein wenig Hoffnung, ehe auch die nächste Generation zu Staub wird.

 

Am zweiten Abend Schlingensiefs Parsifal Inszenierung. Eine übervolle Drehbühne, tote Hasen, Projektionen, Selbstmordattentäter,Kz Stimmung, Slumhäuser,venedische Brücken, alle Minuten ein neues Bild, das ist ganz großartig, da passiert etwas, da wird das Hirn angeregt, da kommt man ins Assoziieren, das ist Kunst, man spürt ein Anliegen, aber man muss es nicht deuten, kann interpretieren. Was bin ich dankbar für Schlingensief, der weitermacht und dem das Buhen der Wagnerianer am Ende sicher weh tut, wem tut so was nicht weh, stehen wir doch alle nicht über unserer Eitelkeit, noch nicht, das kommt vielleicht noch, und wie tragisch, das die Menschen, die diese Inszenierung sehen sollten, nie eine Karte bekommen werden. Da ist doch dieser Wartezirkus mit den Tickets, und die Verteilung, an wen auch immer, auf jeden Fall nicht an Leute aus meiner oder Schlingensiefs Familie. Das Ansinnen alle zu erreichen, auch Stoiber und seine Frau, ist ehrenwert, aber vermutlich eine sehr schwere Aufgabe. Sicher, das sind auch Menschen, doch es steht ihnen zu, einen anderen Geschmack zu haben. Sie wollen Wiederholung, Tradition, große Gesten, und untergehende Sonnen auf der Bühne. Das ist, was sie glücklich macht. man mag es ihnen gönnen. Es hat ja Raum für vieles in unserem Leben, nebeneinander , übereinander, Parallellwelten. solange sie nicht böse werden, können sie anders sein, bis zum Umfallen. Manche wollen an das Erhabene glauben, wenn es ihnen hilft, bei ihrer Art Lebenstheater, bitte. In Schlingensiefs Arbeit sehe ich eher den Menschen, der immer kleiner ist, als das , was er kreieren kann. Die Welt, die so ein hässlicher Ort ist, hinter den Fassaden, oder auch schon davor. Da kann man sich doch nicht in grüne Auen flüchten, und von der Schönheit der Erde reden. kann man doch. Interessiert mich aber nicht. Wie gehen wir würdevoll unter , zusammen mit diesem Müllhaufen, den wir geschaffen haben?Mit diesen Geschwüren von Häusern. Nicht nur in Indien oder Afghanistan, wir sitzen ja mittendrin. Diese Lieblosigkeit, in der Deutschland zurechtgezimmert wurde, die ist da doch, die atmen wir ein , jeden Tag, selbst in Bayreuth, was wenig Bomben erwischt zu haben scheint, stehen dies Geschwüre. Die Buden, der Schlecker, all dieser Dreck. Zwischen dem sich Menschen seitlich bewegen, weil geradeaus nicht mehr geht, wegen des Bauches. Arme Menschen, arme Erde, es bleiben nur Fluchten, kleine Momente zu denen einen Künstler verhelfen, Wagners, Schlingensiefs, wo man eins wird mit seinem Kopf, und verschwindet aus all dem Dreck, dem Körper den Wurstbuden, und eine Idee hat oder Hoffnung, wie es sein kann, wenn wir diese Welt verlassen dürfen. Vielleicht ist tot sein wirklich nicht die schlechteste Alternative. Und bis dahin nur noch Auen ansehen, und Kunst, und entrückt in den Himmel schauen, der immer da sein wird, den konnten wir noch nicht verbauen, und träumen, das sich das Ende mit dem , wovon wir träumen in seltenen Momenten guter Kunst, decken wird..

Zugfahren. Für Spinner

Es gibt einen Konsens mittelständischer Bildungsbürgerträume, zu denen der Besuch der chinesischen...

01st Jul
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Es gibt einen Konsens mittelständischer Bildungsbürgerträume, zu denen der Besuch der chinesischen Mauer, einmal Nibelungen sehen in Bayreuth, die Liebe zu Frankreich, und eine Reise mit dem Orient-Express zählen. Danach kann man sterben. Meist hat sich der Verstand ohnehin zuvor verabschiedet, denn Bayreuth übersteht selbst das zäheste Studienratshirn nicht unbeschadet. Ich habe es überlebt, mein Intellekt funkelt wie der Abendstern am dunkelblauen Himmel über Thailand, und ich warte in der Lounge des Eastern and Oriental Expresses, die mich an die VIP Lounge des Flughafens Bombay erinnert der mich an ein heruntergekommenes Bahnrestaurant in Rumänien erinnert hatte. Die mir stets unverständlichen Klimaanlagen dimmen die Raumtemperatur auf Schweiz im Februar, nur damit man nicht bemerkt, das man in Asien ist. Der Mensch könnte transpirieren, und das hasst er. Zwei Stunden vor Abfahrt des von außen erlesen elegant wirkenden Zuges, läuft der Reisende hier auf, um einzuchecken. Eine kleine drollige Gesellschaft, das Durchschnittsalter um die Mitte 50, der Herr mit Bermudas oder gelbliche Baumwollhosen, die er aus rätselhaften Gründen mit einem Gürtel immer über dem Bausansatz festzurrt. Die Damen tragen überwiegend dünne, traurig wirkende Gesäße in weißen Leinenhosen. Eine Frau führt einen großen Federbesetzten Hut mit sich. Vielleicht hat er ihr in einem Krieg das Leben gerettet. Siebzig Prozent der Reisenden scheinen Briten zu sein, der Rest Franzosen und Amerikaner die stolz sind auf die Erfindung ihres Landsmannes. Der „E&O” entstand nach einer Idee des eisenbahnverrückten Amerikaners James B. Sherwood, dem auch der historische „Venice-Simplon-Orient-Express” in Europa gehört.

Der Hauptbahnhof Bangkok ist einer der ruhigsten Orte der Stadt, gesittet und reizend sitzen Thailänder zwischen ausufernden Gepäckstücken und warten geduldig und

die erste unangenehme Situation entsteht, als sich die ungefähr sechzig Personen große Reisegruppe, Außerirdischen gleich, hinter einem uniformierten Orientexpress Manager über einen zehn Meter langen blauen Teppich zum Zug bewegt. Die Passagiere beziehen ihre Kabinen, ihr kleines, eisgekühltes zu Hause, während der nächsten drei Tage, da der Zug von Bangkok nach Chiang Mai im Norden fahren wird. Auf den ersten Blick scheint alles so, wie man es sich vorgestellt hat. Agatha Christi fällt einem ein, der Film Shanghai Express mit Marlene Dietrich und alle Clichees scheinen sich einlösen zu wollen. Wohin man schaut, Rosenholz und Teak alte Lampen, alte Teppiche, uniformierte Bedienstete. Die Waggons stammen aus Neuseeland und wurden in Singapur umgebaut und restauriert. Warum ist es nur so saukalt, und warum lassen sich die Fenster nicht öffnen? Da sitzt der Reisende auf einem mäßig bequemen Sofa, schaut durch eine Doppelverglasung, wie der Zug sich langsam durch die Vororte Bangkoks schiebt. Luft, möchte man, und zwar viel davon, und warme, den Rauch riechen, den man draußen sieht. Das geht auf dem kleinen Balkonwagen am Ende des Zuges. Hier drängen sich die Raucher, trinken Cocktails und winken den Thailändern, die vor Hütten kauern, deren Existenz man in Thailand nicht mehr vermutet hatte, zu. Diese lieben Einheimischen, wie sie Freude haben, am Reichtum der Touristen.

Eine Reise im Orientexpress ist ein teurer Spaß. Aber über Preise redet man nicht in unseren Kreisen, über Geld reden Proleten oder Neureiche, keineswegs die Zielgruppe der hier anwesenden Nostalgiker. Vor Beginn der Zugfahrt hatte der Passagier sich zwischen verschiedenen Tagesausflügen zu entscheiden. Unternehmungen, die jeder Mensch der bei Trost ist, unbedingt zu vermeiden sucht. Elefanten bei der Arbeit beobachten oder Tempel, am Nachmittag eine Einkaufstour in Seidenfabriken und Schnitzwerkstätten oder eine Stadttour mit Besuch von Seidenfabriken und Schnitzwerstätten. Es steht dem Menschen auch frei alleine Chiang Mai zu erkunden, oder im Zug auf dem Bahnhof acht Stunden herumzubringen. Aber das ist Zukunftsmusik. Im Moment entfernt sich der weiße Tross vom Balkonwagen, um in seinen Kabinen den Afternon Tee zu nehmen. Jedem Wagon steht ein persönlicher Butler zu Verfügung, der ausnehmend reizend Silberkannen und feine Gebäckteile in die kleinen Löcher bringt. Tee trinken, Subburbs gucken, frieren. Das Schienennetz in Thailand ist noch komplett authentisch geblieben, der Zug wartet auf jede entgegenkommende Lok, es wackelt und ruckelt und nach einer Stunde stellt sich bei den Besitzern schwacher Mägen ein Unwohlsein erster Güte ein. Doch es bleibt keine Zeit darüber nachzudenken, denn gegen sechs macht sich die erste Fütterungsgruppe fertig zum großen Diner. Für Herren besteht Krawattenpflicht, Grund genug, sich zu verweigern, denn warum ein lächerliches Strickchen um den Hals, das jeden Herrn zum Bänker macht, irgendwo auf der Welt noch getragen werden muss, ist uneinsichtig. Alle Reisenden werden platziert und haben sich als Erwachsene verkleidet. Der Butler hat Hemden aufgebügelt, Sakkos geklopft, die Damen tragen Pumps. Gold und weiß. An den Tischen entstehen Schicksalsgemeinschaften und die Gespräche ähneln sich. Man redet vom Reisen. Was man wo, wann, warum gemacht hat. Die Namen von Orten schweben durch den Raum, Restauranttips, Angebergespräche erster Güte. In Shanghai gehe ich immer zu Mister Long. Sie kennen Mister Long in Shanghai nicht? How can it be? Er serviert das beste Frikassee ganz Chinas. Vielleicht hat das Rind vorher gebellt. Man lacht über kleine abgenutzte Scherze, man zeigt sein interessantes Leben vor, wie eine Visitenkarte. Afternoon Tee im Penninsula, Lunch im Oriental Bangkok, es sind die immergleichen Standartadressen die einander verwirrend ähnelnde Menschen austauschen, Orte wo alle aussehen wie sie, sich als erwachsene verkleiden und Erwachsenengespräche führen , die aus Satzbaukästen entnommen wurden, und beliebig zusammengefügt werden. Der Zug wackelt. Das Essen ist hervorragend. Sternekoch du so weiter, das lässt das nächste Lieblingsthema der Reisenden entstehen: die Gourmetrestaurants dieser Erde. Die Namen von Spitzenköchen fallen ins Essen, nicht zu lange geschwatzt, denn die zweite Essensgruppe kommt in einer Stunde. Sie warten bereits in der Bar, sie haben sich hübsch gemacht. Sie frieren.

Draußen ist es dunkel geworden. Der Mensch kehrt vom Diner zurück in seine Kabine. Der Butler hat unterdes die Betten bereitet, nun sieht es endgültig aus, wie in jedem Schlafwagenabteil in jedem beliebigen Zug. Es ist furchtbar kalt, authentisches Reisen, wenn man in der Arktis wäre. Sehnsüchtig presst man das Gesicht an die Scheibe, draußen steht die Wärme, Feuer sind zu sehen, sonst nichts. Der reizende Butler bringt noch einen Whiskey oder eine heiße Milch, falls der Gast sich nicht schon zuvor in der Bar bei Pianomusik die Kante gegeben hat, oder mit seinen neuen Freunden Bob und Mary aus Stratford-upon-Avon beim Kartenspiel im Salon die nötige Bettschwere fand. Die bitternötige. Denn es ist laut, es ruckelt wie die Hölle, der Magen bäumt sich auf. Ungefähr 30 Kmh hat der Zug drauf, der Schlafsuchende wir ins seinem absurd unbequemen Bett hin und her geworfen, er betet. Und schläft ein zwei Stunden, weil er einen Rausch hat. Gerädert und gevierteilt wird man am Morgen vom Butler mit Frühstück geweckt, sehr früh, denn der Tag will mit Besichtigungen gefüllt sein, und an dieser Stelle flieht ein jeder, der noch alle Sinne beisammen hat. Noch drei Nächte dieses merkwürdige Theater, das ist unvorstellbares Elend. So alt, dass man sich beweisen muss, dass man es geschafft hat, möchte doch keiner werden. Und fliehend ist man erleichtert, und ein wenig traurig, ob all der Bilder die vielleicht noch im Kopf auf Einlösung warten, denn man ahnt, dass die Erde in den meisten Fällen real ein unangenehmerer Ort ist, als man sie sich in seinen Träumen denken kann. Der Fliehende kreist im sicheren Flugzeug über Chiang Mai, und vermeint unten einen reizenden Zug auszumachen, in denen Gutgekleidete ältere Menschen sitzen, und sich gegenseitig versichern, wie schön sie es haben..