Zur Erinnerung: der schönste Tag in unserem Leben

  Am Tag vor der Hochzeit zweier junger netter Menschen die uns...

28th Jun
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Am Tag vor der Hochzeit zweier junger netter Menschen die uns alle nichts angehen, nachfolgend nur das Ereignis genannt, kollabiert die Medienberichterstattung, nachfolgend nur: DIE Medien genannt.

In den Wochen vor dem Ereignis, das Datum der Hochzeit wurde behutsam auf den Tag der Eheschließung von Eva Braun und Adolf Hitler im Jahre 1945 gelegt, lasen und sahen wir immer neue absurde Meldung über das Königshaus. Gleichsam so, als seien DIE Medien froh, nicht mehr über demonstrierende Araber oder Tsunamis berichten zu müssen. Auch der rothaarige (!) Ex Rittmeister und Ex- Diana Geliebter James Hewitt, der heute eine Bar in Marbella betreibt, durfte irgendetwas sagen.

Was für ein Ereignis, das Ereignis:

Prinz William, Sohn von Diana, Gott hab sie selig und Charles, dem einzigen Menschen, der in der Königsfamilie interessant sein könnte, aber das auch nur durch seine Freundschaft zu Mr. Bean, heiratet eine Bürgerliche.

Kate Middleton, nachfolgend Kate genannt, 1982 geboren als Tochter eines Piloten und einer Stewardess. Ihre Mutter, Frau Goldshmith, aller Nachforschung nach nicht jüdisch, stammt aus sehr einfachen Verhältnissen, was uns egal wäre, in England mit seinen reizend altmodischem Standesdünkel aber immer noch sehr viel Beachtung findet. Klar ist, dass die Kinder es besser haben sollten. Herr und Frau Middelton, mit hervorragendem Knochenbau, die nach ihrer Fliegerlaufbahn mit Partyzubehör Millionen verdienten, sandten ihre drei Kinder auf angesehen Schulen. Kate landete an der Universität St. Andrews, die als Hochzeitsanbahnungsinstitut der besseren Gesellschaft gilt. Dort lernte sie 2002 William kennen. Anzunehmen ist, dass Kate und William ineinander verliebt waren, denn die Beziehung hält, mit einer kurzen Pause wegen jung, und trotz des albernen Berufes des jungen Prinzen.

Seit Kate und William sich letzten Oktober verlobten, unheimlich für mein Empfinden der Ring der toten Diana am Finger von Kate, blau und geschmacklos, mit Leichengift überzogen wird der Mediengau vorbereitet. Sechzig Kameras sind auf THE MALL, dem Weg vom Buckingham Palace zur Westminster Abbey, in der die Trauung stattfinden wird installiert, Rund Drei Milliarden Zuschauer werden das Ereignis verfolgen, allein die deutsche Wirtschaft rechnet mit Verdienstausfällen von drei Million wegen glierender Angestellter. Nicht zu schweigen von ganz England, mit einem kompletten arbeitsfreien Tag.

Drei Milliarden Menschen sehen also zu, wie eine junge Frau, früher Assistenz Accessoire Einkäuferin eines Modelabels, danach im Unternehmen der Eltern tätig, und eines jungen Mannes, der sich hauptsächlich durch eine schwierige Kindheit auszeichnet, heiraten.

Die Gästeliste ist für meine Begriffe unspektakulär, bis auf den, Eingangs erwähnten Rowan Atkinson werden noch Elton Jon und sein Mann, Joss Stone und die Bekhams anwesend sein. Der Rest ist Adel, vierzig Stück, Saudiarabische Prinzen und Staatsleute unterer Chargen. Der Staatsvertreter Syriens wurde, wie meine Informanten im weißen Haus verlauten lassen, ausgeladen.

Seit drei Tagen campieren Geisteskranke an der Wegstrecke zur Kirche, die fast tausendjährig ist, in der auch Prinz Charles in erster Ehe heiratete, sie schwenken Fahnen stammeln von Lady Di, und murmeln: eine Bürgerliche, eine Bürgerliche. Unerheblich zu betonen, das man jeden Tag weltweit an ein paar Milliarden Bürgerlichen Hochzeiten teilnehmen könnte, und es vermutlich interessanter wäre, wenn der junge William, dessen einziger Verdienst nur ist, Jahrhundertelangen Inzest unbeschadet überlebt zu haben, einen Mann heiratete. Kate Middleton wird den Titel Her Royal Highness the Duchess of Cambridge tragen, das ist mehr als der schöne Konsul Weiher, aber weniger als der Doktor in Kybernetik. In einer Zeitung war ein Foto der gesamten königlichen Familie zu sehen, auf dem Balkon des Palastes. Alle mit offenem Mund, alle mit Deix Gesichtern. Aber wollen wir mal keine Spielverderber sein, die Engländer halten sich ihre Könige, wie ein teuer subventioniertes Theater. Das Stück: Die gute alte Zeit, handelt von Träumen unbefriedigter Arbeitnehmer, die sie auf die Akteure projizieren können. Eine liebenswerte Marotte, die jungen Menschen, die meinen dass die Millionen mit der das Königstheater subventioniert wird doch besser in die Bildungspolitik gesteckt würde, verstehen einfach keinen Spaß.

Und der geht langsam los. Es ist gegen zehn. Das niedere Volk, Diplomaten, Wohltätigkeitsverbände, schlendert in die Kirche, alle aus guten Familien, die Gesichter der Männer lassen auf einen weit verbreiteten Alkoholismus schließen, mit den Farben Fuchsia und Mauve kann man nichts verkehrt machen, denken sich die Damen und ich sage: man kann.

Danach folgen die Prominenten, in mitternachtsblau und schwanger- Victoria Beckham mit ihrem Gutangezogenen Mann, Elton John, der wie alle Männer die sich die Haare färben so einen Rostton auf dem Kopf trägt der verrät: hier wurde am Friseur gespart.

Die Monarchie und die Rechtspolitik, die Besinnung auf Werte und Traditionen sind im Moment stark wie lange nicht mehr. Es ist die Angst vor einer anstehenden Neugestaltung der Weltordnung, die bei der Weltbevölkerung einen starken Rückwärtsgewandten Reflex auslöst. Die besseren Familien. Das Schloss. Der Wind, die Kälte, die Hunde, der Alkohol und die durch das Boardingschool versaute Innenleben der armen Briten. Das bekommt doch Kindern nur mäßig, auf diesen zugigen Pritschen weg von daheim, vom zugigen Castel und den Hunden.

Kurz vor elf, die gesamte Welt dreht durch, das Internet dreht durch. Auf Twitter folgen Fünfzig Tausend dem Royalwedding Programm der BBC, Twitter aus der ganzen Welt kommentieren das Ereignis, entweder mit coolen Witzen oder aufrechter Ergriffenheit. Ein kollektiver Zwang das Ereignis nicht zu verpassen, wie 9/11, man könnte etwas verpassen, man könnte nicht mitreden können.

William rollt gerade in Begleitung seines Bruders, der heute auf das Tragen der Hakenkreuzarmbinde verzichtet hat, was sicher viele ältere Zuschauer enttäuscht, zur Kirche. William der roten Phantasieuniform einer Zunft. Und langsam greift der emotionale Moment des Ereignisses auf mich über. Ich vergesse langsam die Werbeveranstaltung zum Erhalt der Monarchie, es geht doch um Liebe. Glaube ich.

Die Gäste warten bereits über eine Stunde in der Kirche. Ob sie austreten können?

Überall in London stehen Massen gebannt vor Riesenleinwänden. So funktionieren Kriege und Fußballspiele. Die Kommentatorin sagt gerade: Man kann sich vorstellen, dass das für die Beiden heute ein ganz besonderer Tag ist.“ Die Tiefsinnigkeit der Adelsexperten verschlägt einem mithin den Atem. Die Queen kommt. In gelb. Sie trägt ein Deckchen über den Kneu und winkt mir. Die Stimmung wie beim Elfmeterschiessen. Und da endlich, die Welt erstarrt: die Braut. 3 Milliarden starren eine 29 jährige an, sie trägt, Trommelwirbel, ein Kleid.

In creme wie es sich gehört, schlicht der Rezession angemessen, von der unglaublichen Sarah Burton für Alexander McQueen, der sich vor einem Jahr erhängt hat. Ein Satinkleid mit Spitze überzogen, ein wenig 30er, mit Drappement am Gesäß. Im Haar eine Cartier Tara von der Queen, ich merke, wie ich verblöde. Sie haben mich!

Kate und William stehen vor dem Altar, William macht kleine Scherze, Kate ist ein bisschen nervös, überraschender Weise wollen sich beide heiraten. Der Erzbischof ist erleichtert. Das Ja Wort!!! Draußen in der Welt liegen sich Millionen, was sage ich, Milliarden weinend in den Armen. Das Paar steigt in die offene Kutsche und fährt an den emotionalen Menschen vorbei. Wir sind alle in diesem Moment eine Gemeinschaft, wir bilden uns ein, es gäbe nur Liebe und Prinzessinnen auf der Welt, die jetzt winkt, als beuge sie sich aus einem Zugfenster.

Die Menge hat nun Zeit zum Palast zu schieben, denn zum Abschluss wird es den Kuss auf dem Balkon des Buckingham Palastes geben, der Orgasmus für die Menge, die Erlösung, der Startschuss für hemmungslose Besäufnisse.

Und dann erfolgt der kürzeste, teenagermässigste Kuss ohne Zunge der Filmgeschichte. Kinderwinken, und noch ein Kuss, bevor sich die Flugzeuge in den Buckingham Palast bohren. Die königliche Familie verschwindet in den Palast, dort gibt es Fingerfood des Schweizer Hoflieferantenkochs, des Bielers Anton Mosimann, die Menschen unten gehen mit einem leichten Kater nach Hause. Das war sie also, die Märchenhochzeit, die Millionenverschlingende, die globale Umarmung, der Taumel. Es war großartig. Romantisch und perfekt. Und nun ist irgendwie alles—wie vorher.

 

 

 

 

text des Tages

Es war so ein Moment, da die Seele den Körper verlässt, eine...

27th Jun
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Es war so ein Moment, da die Seele den Körper verlässt, eine Runde dreht und sich das Desaster ansieht, ehe sie verstört wieder in den Leib kriecht, um Bericht zu erstatten.

Sie zuckte ein wenig zusammen, denn das Bild war erschreckend unattraktiv: Ein älteres Paar in einem Feinschmecker Restaurant, das zur Taube, zum Gockel, zum Hornvieh oder dergleichen hieß, es war das Jahr 2012, da nannte man teure Restaurants in der Schweiz so. Nicht mehr französisch, nichts mehr mit Cocque, sondern ehrlich, erdig waren die Namen, und die Inneneinrichtungen. Gehobener Bürgergeschmack und immer waren großkarierte Stoffe und dunkles Holz im Spiel, immer standen exquisite große Stehlampen mit Textilquaderschirmen auf alten rustikalen Beistelltischen. Vermutlich gab es für Designer ein Programm im Internet, das sie herunterladen konnten, und in dem alle Eckpunkte der gestalterischen Vorlieben wohlhabender Menschen um die 60, dem neuen 40, enthalten waren. Auf Englisch. Die Designsprache. Use a kind of Bauernmöbel but they must be made from Teakholz.

Alles im Leben folgte Codes. Stillen Übereinkünften, Gesetzen die das Leben erleichterten, denn Routine schenkte einem eine gewisse Freiheit. Leute wie sie trugen unabhängig von ihrer Verfassung immer die gleichen Trikotagen. Die Herren Kaschmirpullover in kanariengelb, Slipper und Wollhosen mit braunen Gürteln, die immer ein wenig zu weit oben am Bauch saßen. Die Haare waren nicht mehr vorhanden, zuviel Testosteron hatte die Herren schließlich dahin geführt, wo sie heute waren. Die Damen mit Kurzhaar immer in blond, Hosen mit Bundfalten, Polo Shirts, Weidenkörbchen, wenn es leger sein sollte.Und etwas mit knisternden Blusen wenn es was zu feiern gab, und sei es nur ein gutes Essen. Alle um sie sahen aus, wie Chinesen auf einen Europäer wirkten, wurde ihr in dieser Sekunde klar. Da saßen Zahnärzte und Bauunternehmer, Verwaltungsratmitglieder und Halbleiterplattenherstellungsfirmenbosse mit Gattinnen die Innendesign machten oder Dentalhygienekliniken besaßen und aßen und redeten während dem ausschließlich darüber , was sie im Verlauf ihres Lebens schon zu sich genommen hatten. Die Namen kleiner Guide de Michelin Lokale in der Provence, Molekularküchengurus in Spanien, und Fernsehköche in der Schweiz rieselten leise durch den Raum, während die Menschen auf den nächsten Gang warteten. Fünf davon, und es benötigte selbst bei sehr langsamen Kauen höchstens 6 Minuten um einen zu verputzen, dann wurde wieder gewartet, eine halbe Stunde. Das bezahlte man im Anschluss, diese Zeit, die das Gefühl von frisch zubereitet, Handarbeit und Exklusivität ausmachte. Die Gourmets von heute, das waren keinen runden lustig bacchantischen Schlemmer, sondern disziplinierte Bildungsbürger, die demnächst das Opernabonnement ihrer Eltern erben würden. Und sie mitten drin. Noch drei Stunden essen mindestens. Und reden. über Essen. Wie jeder Mensch fühlte sie sich natürlich anders, einzigartig, sie gehörte nicht zur Gruppe dieser etwas stereotypen Neureichen, sie erfüllte zwar scheinbar alle optischen Attribute, die sie als Angehörige dieser Schicht kennzeichneten, aber innen war doch alles nicht viel anders als damals, als sie zwanzig war oder in einem ähnlichen Alter, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte, weil es zu weit entfernt schien. Ihre Seele fragte: glaubst du das wirklich? Und machte sich erneut auf einen Rundflug, diesmal mit weiter entferntem Ziel. Ihr Mann steckte sich gerade ein Stück flambiertes Irgendwas in den Mund. Sein Gesicht verwandelte sich in das einer wiederkäuenden Kuh, was ihr nicht unangenehm war, denn Kühe waren als Tiere über jeden Zweifel erhaben. An den übrigen Tischen sassen—Reptilen, Hyänen und Frettchen und ließen sie ihre Reise zügig fortsetzen.

 

Sie landete fast 30 Jahre früher. Und sah sich sitzen in einem gelben Untermietszimmer, in ihren Ohren rauschte es, von zu viel Stille. Sie war müde, es war kalt. Nachts arbeitete sie an der Kasse einer Diskothek. Oder als Putzkraft. Oder als Küchenhilfe. Geld hatte sie nie, und solche Angst und keine Ahnung vor was. Die Welt war zu groß, und sie noch zu jung um irgendeinen Platz darin einzunehmen. Essen hieß damals für sie eingepackter Schmelzkäse und Knäckebrot, Tütensuppen und Äpfel immer Hunger und unglücklich sein und sich sehnen. Mit einer Stärke, die ihr in ihrem heutigen Leben völlig abhanden gekommen war. Etwas so sehr zu wollen, und nicht zu wissen was. Ihr Hunger damals, war mit Essen nicht zu stillen gewesen. Sie erinnerte sich daran, dass sie einsam gewesen war, es war ihr nicht gelungen mit anderen zu fühlen, sie konnte deren Gesichter nicht lesen, und die Absichten dahinter. Es rauschte in ihren Ohren, sie saß auf dem Bett in einem hässlichen Zimmer und hatte solche Angst, das es niemals anderes werden könnte. Keiner der ihr gesagt hätte: das ist nur die Jugend, die wächst sich aus, du musst einfach durchhalten bis du dreißig bist, dann weißt du auch nicht viel mehr, aber es wird dir egal sein. Furchtbare Jahre beschied sie, als der nächste Gang kam.

Sie hörte sich etwas mit ihrem Mann reden, hörte sich lachen, so machten das alle. Kopieren was der formale Rahmen unter dem Stichwort- Beziehung -vorgab, aber innerlich unterwegs sein. An einem traurigen Ort wo missgestaltete Tiere an Brunnen tranken.

Zehn Jahre später war es ihr besser gegangen. Sie sah sich mit Mitte dreißig in einer reizenden Wohnung. Sie war zufrieden. Tags arbeitete sie irgendetwas, was auch noch nicht perfekt war, aber angenehmer als Büros zu reinigen am morgen um vier. Sie hatte gelernt Kontakt zu anderen zu haben, wenn auch nicht zu Männern, die waren ihr zu fremd. Es war das Alter , in dem man sich mit Freunden zum Essen traf, was meinte, man ging zu einem Italiener, oder zum Griechen , man verbrachte seine Zeit mit anderen Alleinstehenden, die Freunde hatten sich noch nicht in Kleinfamilien oder in therapeutische Einrichtungen verabschiedet. Der Kühlschrank war gefüllt, und sie Frühstückte regelmäßig. Die Zeit zwischen dreißig und vierzig, wenn man nicht mehr an Wunder glaubt, aber doch noch ein wenig darauf hofft. Dass einem etwas zustünde, vom Leben, einfach weil man den Mist auf sich nahm, weil man sich ankleidete, Formulare ausfüllte, enttäuscht wurde, fror, dass musste doch belohnt werden, konnte doch nicht sein, dass die tausend anderen Embryonen das große Los gezogen hatten Sie fühlte sich noch jung, stand auf dem Balkon ihrer überschaubaren Wohnung, sah den Schwalben zu und der Hunger war leiser geworden. Es ließ sich aushalten, ihr Leben, wenngleich sie ein wenig müde wurde, bei dem Gedanken es noch 40 Jahre in der gleichen Form fortzusetzen.

 

Das Dessert.

Und fast waren Körper und Seele wieder deckungsgleich.

Weitere 10 Jahre später, hatte sie ihren Mann getroffen, der damals noch Haare besaß und einen Beruf den sie nicht verachtete. Sie war des Alleinseins müde und wartete nicht mehr auf große Leidenschaften, die hatte sie für untauglich befunden. Es schien ihr, als sei sie nach Ende ihrer Pubertät in einen leichten Schlaf gefallen, und Jahre später erwacht, in einem befremdlich großem Haus, mit einem Mann, der sein Haar verlor, fast Fünfzigjährig und ihr Herz , das machte ihr Sorgen manchmal. Es war so langsam geworden, so träge und nichts vermochte sie mehr zu erregen. Die Dummheit nicht, die Verlogenheit und Gier, sie hatte sich damit abgefunden, eingesehen, dass man nur durchhalten musste, und das besser ging, wenn man es sich behaglich machte. Wann genau sie begonnen hatte, es als normal zu empfinden, das ein Kostüm zweitausend Franken kostete, wusste sie nicht mehr genau zu sagen, ebenso wenig, wann ihrer Beider Leidenschaft für erlesenes Essen begann. Es hatte sich vermutlich so entwickelt. Vielleicht hatten sie irgendwann entdeckt, dass es wirklich Unterschiede in der Qualität der Nahrung gab, hatten herausgefunden , das ein teurer Wein besser schmeckte, als ein billiger, dass man sehr erlesenen Fisch kaufen konnte, wenn man bereit war für hundert Gramm 30 Franken zu bezahlen, und das es Alternativen zum Italiener um die Ecke gab. Wie Alles im Leben konnte man auch in diesem Bereich tiefer gehen, weiter, über Grenzen, und irgendwann waren auch die Preise für hundert Gramm Trüffel normal, und wenn ein Restaurant keinen Stern aufwies, musste man über seinen Besuch nicht nachdenken. Nie mehr Hunger zu haben. Einen Menschen neben sich, der freundlich war und von leisem Temperament, keine Angst mehr, außer der, vor dem Tot, der mit jedem Restaurantbesuch ein wenig näher kam, wie die ersten Flecken auf den Händen, die ersten grauen Haare, das war der Verfall, nichts würde ihn aufhalten können, das war ihr Leben und es jetzt noch zu verändern ein Akt, der einer Kraft bedurfte, die sie nicht mehr hatte. Und ändern—in was? In eine andere Stadt ziehen, alleine, in der niemand an einer alternden Frau interessiert war, und da vielleicht eine andere Sprache gesprochen wurde? Keine Alternative.

Das war ihr Leben und es würde sie mit allen Feinschmeckerlokalen begleiten, bis sie es irgendwann final verlassen würde.

 

Der Espresso wurde serviert, und sie kehrte zurück.

Sah den Mann ihr gegenüber der vom Wiederkäuer zum Menschen geworden war, dessen Kopf ein wenig gerötet war, und der eine große Zufriedenheit ausstrahlte. Er hatte gut gegessen, sie würden gleich in einem nach Leder riechenden Auto in eine nach Blumen reichende Wohnung fahren, sich Aneinanderschmiegen und einschlafen, erwachen in einem neuen Tag der ohne weitere Sorgen auf sie wartete. Die glücklichste Zeit ihres Lebens war jetzt. Was war falsch daran, nichts mehr zu wollen, außer vielleicht ein wunderbares neues Restaurant, einen raren Wein zu entdecken? Viel mehr war es doch nicht, was von einem blieb. Ein Körper, im besten Fall ein wohlgenährter, der Futter würde. Da war nicht schlechtes, am Sattsein. Dachte sie, lächelte, und war wieder eins, nach dem Moment der Verwirrung, die einen befällt, wenn die Seele kleine Ausflüge unternimmt.

17.Juni

Sonntag. Ich kann nicht gut reden. Weder brillant noch einnehmend, noch charmant,...