wie ich den Nobelpreis erhalten habe

Nobelpreisrede Sibylle Berg Liebe Freunde, Kollegen, Kritiker, liebe Schweden, liebe Hinterbliebene! Ich...

01st Nov
Off

Nobelpreisrede Sibylle Berg
Liebe Freunde, Kollegen, Kritiker, liebe Schweden, liebe Hinterbliebene!
Ich freue mich außerordentlich über den Nobelpreis, gepreist wird man immer gerne, der Scheck, nunja, der Scheck- die einzig sinnvolle Funktion des Geldes war immer, sich Abstand von anderen Menschen leisten zu können.
Das, ähm,
braucht es ja nun nicht mehr.
Sehr schön auf jeden Fall diese Statue, es ist, wenn ich richtig sehe, ein kleiner überfahrener Hund.
Liebe Anwesenden, Frau Königin, der Weg hierher, aus der Schweiz, nach Stockholm, war, wie sie sich sicher vorstellen können, ein wenig mühsam. Ich habe mich an die Zeiten erinnert, als es noch Flugzeuge gab, in denen man rauchend saß, mit der alleinigen Sorge, ob einem die Zigarette beim Durchfliegen eines Luftloches aus der Hand in den Belüftungsschlitz gleiten könnte, wo sie dann einen Kabelbrand herstellen würde. Seit jedes zweite Flugzeug von wütenden Männern und Frauen, in die Luft gesprengt wurde, eine romantische Erinnerung. Ach, die Wütenden. Zu Explosionszwecken waren sogar Frauen zu gebrauchen, mit diesem rührenden Hass auf die Welt des Westens, des kranken Kapitalismus der sexuellen Zügellosigkeit, die es so nun nicht mehr gibt, das hätte ich den Damen und Herren Fundamentalisten auch vorher sagen können, dass die Sache sich selber erledigt. Meine Selbstgerechtigkeit, die einen so bitter werden lässt, da ist doch immer eine Kränkung durch die Ungläubigen, immer.
Waren sie mal wieder Draußen? Das famose Draußen? Der Generationsvertrag wurde eindeutig nicht abgeschlossen. Unsere Kinder sollen es schlechter haben, erinnern sie sich an das Motto? Eine gelungene Kampagne. Es gibt ja keine Kinder mehr. Ich hätte ihnen sagen könne, das der Mensch zu dumm für den Kapitalismus ist. Aber mich hat ja wieder keiner gefragt. Ich war die Zynikerin, erinnern sie sich? Bis diese Sache mit den Zwischenlagern die unterdes Endlager waren passierte. In Kombination mit Flugzeugen, keine schöne Sache. Was hat man nicht alles für eine Wiederwahl angestellt, sichere Arbeitsplätze in der Politik, für Menschen die es in der Wirtschaft nicht geschafft hatten, die zu dumm waren um Broker zu werden oder Hedg Fund Manager. Obwohl, die sind ja auch nicht mehr. Nur die Literatur hat überlebt, verzeihen sie, wenn ich ein wenig spucke, das Thema hat es emotional in sich, was?
Die Literatur. Ohhh die Literatur, der hehre Tempel der Erleuchteten. Das Spielzeug gescheiterter Intellektueller die eine kleine Welt für sich errichtete, fern des Marktes und der Bedürfnisse. Nach einer Reinheit suchend, die sie selber noch nie hatten. Die doch keiner mehr hat, nach dem er ein paar Jahre auf der Welt war. Und Bücher, die großen Bücher des großen Shakespeares, ja wo ist denn der weibliche Shakespeare, Tot ist er oder sie, und Bücher waren nichts als eine Art geschützter Raum für wenige Irre die sich dem Elend draußen nicht stellen wollten. Fast verzeihe ich den heute toten Kritikern. Sie wollten ihren Garten sauber halten. Den Acker der Literatur bestellen, da haben doch verdammt noch mal Frauen nichts verloren, die taugten nur, wenn es ums Explodieren ging oder ums Jammern, oder um Intimes. Ja, für Intimes waren sie gut, die Frauen, die Schwulen gar nicht zu erwähnen, die zehn Prozent, die wurden doch nicht erwähnt. Die hatten da nichts Relevantes verloren, auf dem Schlachtfeld der Dichtung, das immer noch Feldherren gehörte. Na, nun sind sie ja alle tot.

Hätten wir alles genauso gemacht, hätten wir gewusst, was uns jetzt klar ist? Diese Ruinen, die verbrannten Flächen, die Leichen, die graue Luft, das haben wir doch geahnt, und haben getan, als sei nichts. Wir haben Nachbarn angezeigt, Hunde vergiftet, Vögel erschossen, wir haben Kriege geführt wegen Göttern, von denen wir wussten, dass sie Märchenfiguren waren, nur, weil wir uns anders fühlen wollte, und weil wir jeden gehasst haben, der nicht wir war. Die Juden , die Palästinenser, die Türken, die Immigranten, die Banker, die Frauen, Jeden anderen Menschen haben wir doch gehasst, sogar Kinder , weil die würden ja wachsen, und werden wie wir, so verdorben und Selbstgerecht. Nein, keine Gnade für Kinder, die waren doch selbst schuld, wenn sie sich schon zwischen uns drängten, auf die überfüllte Erde. Die Kinder, die uns aus unseren Wohnungen vertreiben würden, später, nachdem sie beim Brooken geschickter gewesen wären, als wir. Die Generation nach uns, was haben wir sie verachtet. Ihre Kunst zu Pop erklärt, ihre Anliegen für oberflächlich, ihre Lebensentwürfe für gescheitert. Casting Stars wollten sie doch alle werden, die Kinder , denen wir die Luft zum atmen genommen haben. Und die Alten? Alles Nazis, alle bei der Waffen SS gewesen, keine Gnade für die Alten sie waren zu langsam für unseren eloquenten Geist. Wir konnten uns lustig machen über sie alle. Wir grauen Mäuse. Wir Durchschnittlichen, die wir nur eins wollten: Mehr. Haben sie sich, bevor alles zusammenbrach, angesehen, was die Welt war? Ein Haufen Dreck mit schmutzigen Laken, mit abgestorbenem Gewässer, zugebaut mit Mehrzweckhallen und verdichteten Wohnungsbauten, mit Schachteln in denen Menschen verstaut waren, um mehr zu verdienen, mehr zu besitzen, und bitteschön , wo war denn die schöne Welt die ich immer beschreiben sollte? Das Volkslied, der Gamsbart, die Uckermark, der Hund, wo waren die denn? Die waren doch längstens in Löcher gefallen, ach ja Gottchen das Grundwasser.
Die schöne Natur, der schöne Baum. Ich lache. Ja, meine lieben Hinterbliebene ich lache. Bitter und zynisch, wie es meine Art ist, und immer war. Ich habe nie, nie an das Gute geglaubt, ich habe immer mit meinem Ableben gerechnet, weil ich ein verdammter Pessimist bin. Und jetzt lache ich. Und nehme diesen Preis, den toten Hund, den Scheck, der nichts mehr bedeutet, ich kann ja nicht einmal Schuhe kaufen wenn keiner mehr die Dinger gestellt. Ich bedanke mich herzlich, auch wenn ich weiß, dass ich diesen Preis nur in Ermangelung preiswürdigerer Preisträger erhalten habe, und werde mich mit einem kleinen Gedicht, das ich für diesen Anlass geschrieben habe, leise zurückziehen
Da schwebt die Schweiz mit ihren Menschen
Durchs Universum leise hin
Sie werden alle überleben
Doch ist denn da ein Sinn darin?

Der Rest der liegt in Schutt und Asche,
die Menschheit ist schon lange weg
nur viele Kakerlaken rennen
mit Tränen durch verbliebnen Dreck

Da waren Feuer Sturm und Wellen
Und eines davon war zuviel
Man hörte sie sehr, sehr laut zerschellen
Die Welt, der Mensch, das war das Ziel

Die Schweiz ist völlig unterbunkert
Hat man gedacht im kleinen Land¨
Doch all die Schweiz das war ein Ufo
Und stieß sich ab vom Erdenrand

Aus Ufo Fenstern schauten Schweizer
Gerührt den Untergang sich an
Es weint der eine und der andre
Und fasst sich an den Händen dann

Die Schweiz wird immer weiter fliegen,
durch die Unendlichkeit des Alls
Sie werden ihre Kinder kriegen,
falls sie noch welche wollen, falls.

Du kannst doch jetzt nicht schlafen.

  In diesem Pyjama, der dich wirken lässt, wie etwas ohne Kontur,...

25th Oct
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In diesem Pyjama, der dich wirken lässt, wie etwas ohne Kontur, kannst du jetzt nicht verschwinden, wenn es still ist in der Welt und du an deinem BMI arbeiten oder die Börse in Japan beobachten solltest. Du schläfst jetzt nicht. Du gehst in Ruhe noch einmal deine Kernkompetenzen Liste durch. Es ist völlig egal, dass du keine Kompetenz hast, du bist ein Mensch, die meisten von uns können nichts, sie tun nur so, sie tun, als hätten sie Dinge im Griff, als würden sie verstehen , was außerhalb ihres Hauses, ihrer Straße passiert, als ob sie wüssten, was das All ist und wo es endet. Dass kannst du doch? So tun als hättest du Ahnung von der Weltfinanzwirtschaft, oder wüsstest, wie es auch nur in deiner Wohnung im Nächsten Jahr aussieht. Du musst dich schnell und federnd bewegen, und deine Kleidung muss einen gesunden, kraftvollen Körper umspielen, dem man das Marathonlaufen ansieht, dem man die Drogen und Nikotinfreiheit ansieht. Einen absolut überlegenen Körper hast du da, denn kannst du nicht in Schlaf weich werden lassen.

Du hast dir dieses Auto gekauft, groß wie ein Panzer, du hast es laut aufjaulen lassen, wenn du mit 80 durch die Stadt gefahren bist, sie hatten dann Angst vor dir, die anderen, die anderen, die Feinde, das ist alles , was du wolltest, dass die Menschen dich fürchten, und nun willst du schlafen. Wenn du schläfst kannst du nichts unternehmen, nichts zum Wachstum beitragen, und das brauchen wir, wir brauchen ein Wachstum das laut ist, damit wir unsere Angst nicht hören, die uns in den Ohren rauscht, weil wir wissen was wir da tun, und nur hoffen, dass die Welt noch hält, solange wir leben. All das Gerede über deine Gier. Dabei brauchen sie nur jemandem, dem sie die Schuld daran geben können, das sie es nicht geschafft haben, die armen Schweine. Das sie in die Vororte ziehen müssen, in Wohnungen die Bienenwaben gleichen und auf tote Äcker sehen, und sich fragen, das war es jetzt? War es das für mich mit einer Fußbodenheizung, regulierter Belüftung und Nachbarn die ich nicht ausstehen kann, weil sie sind, wie ich? Du bist nicht gierig, du bist ein Mensch und unsere Rasse hat ein paar Fehler in ihrem System. Wir nennen es Wachstum, begabte Außerirdische würden Dummheit dazu sagen. Die Welt reguliert sich selber, das müssen wir nicht auch noch erledigen, Kulturen sterben aus, Imperien implodieren , und Nestle verkauft neben dem Wasser, das allen gehören sollte, demnächst die Luft. Da gibt es doch kein Recht auf saubere Luft. Wann hat das nur angefangen? Die Kontrolle, Verbotsschilder, Helmpflicht, BMI Pflicht, wann entstand diese Pflicht ein Idiot zu sein, mit all den Vorschriften beschäftigt dass wir keine Zeit mehr haben uns zu fragen , warum da jemand Grundwasser verkauft? Und warum es dauernd Erdrutsche gibt und Hurrikane, und Überschwemmungen und Tsunamis. Schlaf nicht, du willst nur träumen, von damals, als die Swiss noch zu Campari Soda Liedern in den Süden flog, als wir dachten uns kann nichts passieren, nun hör doch auf mit deinen Kieferknochen zu mahlen. Wenn unsre Kultur unterzugehen droht, da kannst du doch nicht einfach schlafen. Wenn wir keine Kinder mehr erzeugen, heißt es doch nur, dass wir unter uns sein können, unter Erwachsenen gutgekleideten Menschen die mit Großen Autos durch leere Innenstädte fahren, in denen wohlhabende Menschen ihre Zweithäuser haben, falls sie einmal in die Oper wollen. Du weinst, übermüdet, natürlich, da sitzen die Gefühle locker, du denkst an früher, bevor du dich verwandelt hast, du denkst an die Stadt, wie sie war, bevor alle wurden wie du, mit Federn unter den Füssen, an die Geräusche der Brunnen in der Nacht, an Regen auf dem Kopfsteinpflaster auf denen höchstens ein paar Betrunkene schlurften, an die Stille der Welt in der Schweiz, die man trinken wollte. Du denkst an Freiflächen und Weiden, an heile Welt und an Freundschaften. Schlaf nicht ein, du musst munter bleiben gleich musst du in deinen Anzug steigen , zur Bahn rennen, zu dicht die anderen, hoffend, dass es keinen Unfall mit Personenschaden gibt, wegen einem, der alles nicht mehr erträgt. Egal, Augen auf, du musst jetzt los. Ein neuer Tag ohne Wunder beginnt.

Gedicht zum Sonntag

Sie sehen hier den Alfred Meier hat jeden Tag die gleiche Leier:...

07th Oct
Off

Sie sehen hier den Alfred Meier

hat jeden Tag die gleiche Leier:

Er steht um 8 in seinem Laden.

verkauft an Angler alte Maden.

Nach Hause geht er in der Nacht-

dort wird noch schnell ein Brot gemacht.

Das isst er auf und schaut gen Himmel

und denkt sich-hab ich einen Fimmel.

Die Arbeit mach ich um zu leben

doch Leben kann’s so keines geben

Und müde liegt der Meier dann

schaut in der Nacht die Tränen an,

die aus seinen Augen fallen

und kann auch leise nur noch lallen-

lieber Gott ich bitt dich sehr

gib mir schnell mehr Freizeit her.

Der Gott ist grade Urlaub machen

und kümmert sich um andre Sachen-

Tieftraurig schläft der Meier ein

im Traum da kann er ein Playboy sein.

Dann wacht er auf und es ist grau

dem Meier wird schon morgens flau.

Doch am Wochenende dann,

wenn der Meier leben kann-

liegt er im Bett und ihm ist kalt

er spürt-nun wird er langsam alt.

Kann sich kein anderes Leben denken

und prüft an Haken sich zu henken.,

er läuft um Häuserblocks herum,

das wird ihm auch recht flott zu dumm.

Er freut sich auf den Montag dann

wo er zu seinen Maden kann.

Dann kommt der Höhepunkt im Jahr

Herr Meier reist nach Sansibar.

Liegt dort im Bett und schwimmt im Meer

das langweilt ihn doch furchtbar sehr.

So wird der Meier immer älter

die Raucherbeine immer kälter.

Eines Tages ist er tot

mit ihm vorbei die ganze Not.

In seiner Wohnung findet man

sehr viele Fotos irgendwann

da ist der Meier drauf zu sehn

beim um die Häuserblocks drumgehn,

beim baden in diversen Meeren,

beim gähnen in so vielen Sphären.

Die Fotos landen auf dem Müll-

der Meier liegt auch endlich stüll

verwest recht fein und ihm ist klar

das Leben nur ein Irrtum war.