Aber jetzt ist erst mal Sonnabend

Sieben am Morgen. Bellevue in Zürich. Umschlagplatz der Trams, Umsteiger aus den...

28th Jul
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Sieben am Morgen. Bellevue in Zürich. Umschlagplatz der Trams, Umsteiger aus den Vororten, auf dem Weg in Büros. Wie Kinder, in Uniformen gezwängt von hektischen Eltern, viel zu früh. Die Gesichter blass, die Uniformen kratzen, sie müssen aus einem Kinderschlafgesicht ein Erwachsenen Gesicht machen. Schnell. Jetzt. Und ab in Büros, in Verkaufsräume. Nicht zu spät kommen, nur nicht. Solche Angst vor dem Zu spät kommen, dem nicht genügen, dem Ausgetauscht werden. Von wem nur. Manche haben vielleicht noch einen Chef- Lebendig. Jung, dynamisch. Ein Arschloch in jedem Fall. Oder einfach ein Vorgesetzter. Jung, dynamisch. Ein Arschloch. Ein Alphatier. Aber mit Führungsqualität. Wo ist der Führer eigentlich, der darüber befindet, dass einer mit 50 zu alt für seinen Job ist. Solche Angst. Sie lassen sich ausbeuten, und würden es doch nie so nennen. Ich arbeite gerne, würden sie sagen, was auch sonst. Es können ja nicht alle Selbstständig sein, Künstler oder Penner, einer muss ja arbeiten. Für wen eigentlich? Für Vorstandsvorsitzende , für Manager mit Millionensalären. Ein paar Milliarden Bonus für die Mitarbeiter einer Bank, die ein paar Milliarden Minus erwirtschaftet hat. Früher nannte man das Klassenkampf. Die da oben die da unten. Heute nennt man es einfach Angestelltenverhältnis, und keiner wundert sich. Den ganzen Tag verkaufen, eine Stunde Mittagspause, aber nur nicht überziehen, nicht aus der Masse ragen, nicht auffallen, sich ducken. Nach Dienstschluss in eine Bar. Den Stress wegsaufen. Dazu eine rauchen, Geht bald nicht mehr. Dann wenigstens einen Joint- der ist verboten. Klar, daran verdient der Staat auch nichts, es macht keinen Kater nicht aggressiv, nicht blöd genug. Trinken sollt ihr. Trinken Freunde, um zu vergessen, was da passiert, mit euch und eurem Leben, nicht hier in der Stadt, dass ist zu teuer, da sind die Spekulanten vor. Wartelisten für die neuen 20 Tausend Fränkigen Mietwohnungen am Bellevue in Zürich. Nicht für dich, ab in die Tram, den Zug und in der Dunkelheit heim, schnell einkaufen, sich von Schlechtbezahltem Kassenpersonal schlecht behandeln lassen, von schlechtgelaunten Kondukteuren kontrollieren lassen, essen, fernsehen , schlafen, morgen von vorne, da geht alles wieder los. Aber gerne. Freiwillig, und wenn wir uns alle gut versklaven lassen, gibt es eine Belohnung: Wir dürfen konsumieren. Hurra. Zeug kaufen, gegen den Frust an, gegen das Gefühl von Sinnlosigkeit an. Wir lesen in den Zeitungen vom Leben der Manager. Mit was sind sie reich geworden. Mit denen, die ihr Leben verkauft haben, und gefeuert werden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Vielleicht mit einer goldenen Abschiedsuhr. Auf die Idee dass da irgendwas nicht stimmt, kommt kaum einer. Auf die Idee zu demonstrieren, keiner. Auf die Idee sich nach einem Stück Kommunismus zurück zusehnen, und dieses verdammte System das uns alle so glücklich macht und mit guten Zähnen ausstattet, kommen doch nur Chaoten. Am 1. Mai. Mit denen haben wir nichts zu tun. Wir müssen arbeiten. Gerne.

Der Vorteil von Radiointerviews

27th Jul
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Jung sein in der Schweiz. Nichts für Feiglinge

„Schneller und härter geht immer“ stand auf einem schwarzen Umhang, den ein...

22nd Jul
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„Schneller und härter geht immer“ stand auf einem schwarzen Umhang, den ein junger Mann getragen hatte, zusammen mit einem Ninja Schwert in der Tram. Ok, Ninja Schwerter sind ein wenig Overposing, aber der Spruch war gut, der war ihm direkt in den Magen gelangt. Richtig hatte er gedacht, das ist es, hatte er gedacht, es muss irgendwie schneller und härter werden. Er wohnte extrem weich bei seinen Eltern, im Keller, da wollte er hin, weil da waren wenigstens Gitterstäbe vor dem Fenster. Der Ort war das Grauen, ein Vorort, eine Kneipe, ein Bahnhof mit Automaten, Metzger, Migros, 20 Minuten in die Stadt und da war es auch nicht besser. Obwohl ihm die Vergleichsmöglichkeiten fehlten war er sich sicher: Die Schweiz war die Hölle. Hier wurden die Menschen nicht auf schnellem Feuer gegart sondern sehr langsam durch Langeweile zum sterben gebracht, was aber nicht erfolgte, das sterben, da war die Hölle vor.

Er hatte alles gehabt. Mit Bier auf der Bank neben dem Bahnhof gesessen, mit anderen, sich gelangweilt, die Züge betrachteten, die stündlich alte uninteressante Menschen ausluden, er hatte sich als Punk versucht, jedoch nicht den Mumm gehabt sich eine Sicherheitsnadel durch die Backe zu ziehen, und hatte dann ohne auf der Bank neben dem Bahnhof gesessen und sich gelangweilt. Es hatte nicht geholfen, dass er die zehn Gesetze ein Punk zu werden befolgt hatte. Das zehnte hieß:

„Avoid going from preppy to punk in one step. It’s best if you ease into being punk or you may appear like a poser. Not all punks hate the government, but rebellion is key.“

Das war soweit Ok, aber keiner in seinem Ort störte sich an den 7 Punks am Bahnhof, selbst seine Eltern sagten nur: Ach, gibt`s Punk immer noch, das war schon out, als wir jung waren.

Punk war definitiv nichts, was die Schweiz zu einem schnelleren Ort machen würde. Das er sich als nächstes eine Glatze rasierte war für ihn eine logische Entwicklung. Irgendwer hatte damit angefangen. Er hatte es nach gemacht, und es hatte auch nicht viel geändert, ausser das sich bei den Greisen die die Züge verließen ein gehetzter Blick einstellte, wenn sie ihn und seine Kameraden sahen, die auf der Bank saßen, sich langweilten , und Musik hörten von Bands die : Brigada NS hiessen oder Gestapo- SS, Macht und Ehre und Landser. Seine Eltern waren nicht amüsiert. Das war soweit in Ordnung.

Nach der Schule hatte er keine Ahnung und fing an in einer Garage zu arbeiten, im Nachbarort. Es war ihm egal. Gleichgültig was er machte, dieses Land umschloss ihn wie eine Duschhaube. In gelb.

Bereits im Bus am morgen wünschte er sich Flammwerfer. Diese verkniffen lächelnden, selbstgerechten Gesichter, ehrliche Schweizer Gesichter, Leute die meinten, sie hätte die Weisheit für sich gepachtet, einfach weil ihnen seit Ewigkeiten nichts schlimmes passiert war, fühlten sie sich überlegen, glaubten, ihre dämlichen Gesetze, die Demokratie, die Müllpolizei, all dieser tröge Mist hätte sie zu einem auserwählten Volk gemacht. Er stimmte nicht mit der Meinung seiner Kumpel überein, dass die Ausländer Schuld an allem waren. Es waren die verdammten Schweizer, ein Rasse der anzugehören er verachtete.

Die Schweizer waren das wirklich Böse. Das politisch korrekte, herzlose Böse.

Aber das konnte er keinem sagen. Er grölte mit seinen Kumpel bei Bier das Rudolf Hess Lied, keiner wusste wer das eigentlich war, aber egal, Rudolf war die Antwort und die Frage war vielleicht—wie retten wir unsere Werte? Er hasste die Werte die er sah, die Frauen mit ihren Kurzhaarfrisuren und ihrem Bio Gemüse im Körbchen, die Überbauungen mit ihrer Pseudomodernen totöden ödheit, die Männer mit ihren Magenfalten und den gepflegten Fingernägeln, und für alles hatten sie irgendwie Verständnis. Selbst die Kameraden mit denen er versucht hatte Angst und Schrecken zu verbreiten, spuckten ihre Kirschkerne in Abfallkübel. Die Nazimusik die sie hörten, war so was wie Schweizer Volksmusik die versuchte hart zu sein.

Er hatte irgendwann als er in seinem vergitterten Keller saß Gabba entdeckt. DJ Skinhead. Damit hatte es begonnen. Das war so schnell, das ihm keiner mehr folgen könnte. Er hatte begonnen zu tanzen, und Gabba zu hören, ganz allein, mit den Tieren die in seinem Kopf zu Hause waren. Er hörte Gabba heimlich, und unentwegt. Hörte Speedtownterror, Speedcore Master und ertrug die Schweiz zum ersten Mal, seit er sein Gehirn verwendete. Er war nicht mehr alleine auf diesem verschissen langsamen Planeten, mit der Musik in sich, die war wie er. Schneller und härter geht immer. Und er träumte von dem Tag, an dem er die Schweiz auflösen würde, in unglaublichem Tempo wie in einem Wasserglas würde er all das betonierte Grauen um sich pulverisieren und in einem Schluck trinken, und sich übergeben im Anschluss.