Sommer, also

On 18/07/2012 by Frau Berg

Ein Tag voller Wärme im Juli. Hektisch hüpfen Schweizer mit ihren Grillgeräten in Naturnahe Gebiete, sie werfen sich Würstchen zu, Kinder blasen Wasserbälle auf, der Plastikpool wird gefüllt, das Bier kaltgestellt. Schnell nur schnell, denn im Tagesverlauf ist mit zunehmender Bewölkungsverdichtung, anschließenden Gewittern und einem Temperatursturz zu rechnen. Seit Mai versuchen Wettermoderatoren die Betrachter zu besänftigen, sie reden von dieser und jener Kaltfront, und zwinkern, wenn sie schließlich auf die kommenden Wochen verweisen, die uns sicher einen aberwitzig guten Sommer bringen. Das tun sie, um die Menschen vom Suizid abzuhalten, denn verdammt: die Menschen, die frieren. So sieht das doch aus, das ist der real existierende Sommer, auf den wir hofften. Wir verbrennen Schneemänner im Frühling, der kalt ist und nass, und wir hoffen, und wir schließen die Augen im Juni , es regnet und wir hoffen, und wir drehen die Heizung hoch, draußen regnet es, es ist bald Juli und wir hoffen, so wie der Einsame sich nach einer neuen Liebe sehnt, nach großen Gefühlen, die ein älterer Mensch nicht mehr herzustellen vermag, die Hormone werden schwächer, doch die Erinnerung bleibt stark und strahlend. Wir hoffen auf den Sommer, den richtigen, an den wir uns erinnern, aus der Kindheit ,Regen und Langeweile haben wir gelöscht, die Abhängigkeit vergessen, so wie den Schmerz der Verliebtheit. Geblieben in unserem Hirn ist etwas Goldenes, das nicht mehr geliefert wird.

Früher. Da waren immer Felder und Fahrräder und Pinien und Eis, wenn wir aus dem Teil in der Welt stammen, in dem Kinder in Eisproduzierende Pinienländer reisen konnten. Die anderen müssen ihre Erinnerung mit Kiefern ausstatten, und Heulballen, und Gerüchen dampfender Erde. In der Erinnerung an den Sommer gibt es keine Angst vor Regen und Temperaturstürzen. Der richtige Sommer aus der Erinnerung fand zu Hause statt und hatte mit geschlossenen Fensterläden zu tun und mit leeren Stunden und Asphalt, und einer fiebrigen Erwartung. Keine Ahnung, was wir gemacht haben, es waren immer Ferien, unendlichen Ferien, so wie wir uns für immer jung wähnten, an kleinen Seen die nach Brack rochen und Schilf unter den Füssen und klebrigen Händen. Verdammt murmeln wir, in den real existierenden Regen starrend, der nichts mit einem Sommerregen zu tun hat, das ist klarer November, verdammt, sind wir soweit, das wir die Kindheit verklären. Bald beginnen wir über die Kuchengerüche in Großvaters Landbäckerei Gedichte zu schreiben, und treten Nationalistischen Parteien bei, im Glauben, das alles Neue ein Verderben bringt. Das Neue ist, das wir glauben, es gäbe kein Wetter mehr. Das Wetter haben uns sicher auch die Deutschen kaputtgemacht.

Den Sommer als Zustand irdischen Glücks können wir uns nur noch kaufen. In Flugzeugen erfliegen, zu kleinen Pensionen am Meer, im Süden irgendwo, da wir immer als Touristen erkennbar sind, und wo es immer zu heiß ist, wo wir immer mit Mückenstichen und Rötungen, mit unpassender Kleidung Fremde sind, die Verrückten, die sich Mittags draußen aufhalten. Zwei Wochen Sommer mit Sonnenbrand, Pinien, Zykladen, Pizzen, Sand und einer unendlich erfreulich Langeweile, dieser Sorte die nur durch zu viel Sonneneinstrahlung entsteht. Egal ob wir am Meer schwitzen oder irgendwo in den Bergen, in Grasse, sagen wir einfach in Grasse, da kann man hervorragend schwitzen und durch Gassen laufen, in der alte Steinhäuser unter Tags gebunkerte Hitze abstrahlen. Momente der Perfektion, die in den durchwachten, weil zu heißen Nächten von Trauer bestimmt sind, einer leisen, die raunt: es ist nur geborgt. Dein Glück ist geborgt, dein Sommer auch, es geht alles vorüber und, na, Mensch siehst du, du kannst es nicht genießen, wenn du um die Endlichkeit weißt.

So viele schwärmen von der Idee des Auswanderns, auch wir betrachten Immobilienangebote in der Toskana. Wandern im Internet durch Straßen auf Hawaii, und in Thailand. Doch dann fragen wir uns, und dann? Dann sitzen wir in Thailand, haben es warm und neben uns tagt die Schweizer Pattaya Fraktion einer Partei, und ältere Herren haben seltsame junge Mädchen neben sich wegen der Liebe. Und wir erkennen, das man irgendwann zu träge ist, um neu zu beginnen, nur wegen ein wenig Witterung und morgen soll es.. Morgen wird es dann doch nichts mit der Hitze, aber nächste Woche soll sich der Tiefausläufer verziehen. Wir hoffen. Der Sommer ist zu etwas metaphorischem geworden, zum Traum des perfekten Daseins in einer luziden Umgebung die nur aus freundlichen halbnackten Menschen besteht, und Sommerlöchern in den Medien, in denen Raum für solche Texte ist, weil es gerade keine Eurokriese gibt und keine Rohstoff Handels -Horrormeldungen, keine Ausbeutungen anderer Menschen und Länder, kein Untergang, kein Blade Runner Wetter vor der Wohnung die vielleicht bald nicht mehr unsere ist, weil das Viertel genderifiziert wurde. Von jungen federnden Rohstoffhändlern die keine Träume brauchen, weil sie verdammt noch mal ihre Träume leben, die in klimatisierten Limousinen stattfinden. Wir sehen in den Regen, und sind Erwachsen und auch da hoffen wir noch, dass sich alles richten möge, wenn Innen und Außen deckungsgleich werden, wenn wir uns endlich erwachsen fühlen würden, bräuchten wir auch die Hoffnung auf den Sommer nicht, um endlich das Leben zu beginnen, das wir uns vorstellen. Irgendwann wird alles gelöst werden. Das Rätsel unserer frierenden Existenz. Das Licht wird unsere etwas zu dunkel Wohnung fluten, und wir werden um das intensives Sein, mit Glücksgefühlen wissen, die man bei angedrehter Heizung im Juli einfach nicht erzeugen kann.

Dieser Text über den Sommer, im Sommer geschrieben, am Strand geschrieben, weit entfernt von zu Hause, ich sehe den Wetterbericht, Regen Achtzehn Grad. Aber nächste Woche soll es besser werden.

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