Alte Texte finden, Teil 1.
Warum können wir bloß nie, nie geliebt werden?
Michel Houellebeqc
Alles im Leben hat seine Zeit. So wie der Körper sich verändert, wäre es bei Menschen, die im Besitz ihrer geistigen Kräfte sind, wünschenswert, das ihre Gedanken sich der äusserlich sichtbar verstreichendne Lebenszeit anpassen. Der junge Mensch muss sich für unsterblich halten und überlegen, er muss die Alten misstrauisch betrachten, sonst hätte er keinen Grund weiterzumachen. Wäre ihm seine Vergänglichkeit und Nichtigkeit klar, wäre ein gezielter Schuss in den Kopf die einzig richtige Maßnahme. Das mittlere Alter, die Zeit da die Wiederholungen beginnen, kann man durchaus solche alberne Dinge tun, wie herausfinden, was seine wirklichen Neigungen sind, man kann probieren, versuchen, verwerfen, und selbst der Satz : Ich muss meine Mitte finden, kann ungestraft passieren. Trauern kann man, in den mittleren Jahren, da man die Sterblichkeit versteht, und wie wenig man am Lauf der Welt verändern wird, wenn man nicht aus Versehen Einstein ist oder Plato, wird man kaum Spuren hinterlassen, und das zu beweinen, steht jedem 40 Jährigen zu. Aber irgendwann wäre es angebracht die eigene Lamourianz zu überwinden. Natürlich sind wir nur kurze Zeit hier, natürlich sind wir enttäuscht, natürlich ist der eigene Verfall kein Schauspiel dem man freiwillig gerne beiwohnen möchte. Aber was solls? Wir sind ja nicht allein mit unserem Schicksal, die Friedhöfe sind voll mit denen vor uns, und keinem blieb ein unwürdiges Ende erspart. Es wäre also für alle um einen selbst und sich selbst angenehm, wenn es gelänge ab einem gewissen Alter, da will ich mal keinem was vorschreiben, eine ruhige, gelassene humorvolle Haltung einzunehmen. Sonst gäbe es ja ein Mordsgezeter auf der Welt,da würde jeder kreischen und trauern und das ohne Ende. Es liegen , mit über 40 auch noch entschieden zu viele Jahre vor einem, als das man den Atmen zu so einem langen Lamento aufbringen könnte. Na gut, was ist? Wir werden alt, und das sieht bei allem Wohlwollen, bei allem sich ekelerfüllten abwenden von manipulierten Werbebotschaften, eben einfach nicht neu und unbenutzt aus. Dinge am Körper treten in Erscheinung, die besser bekleidet blieben. Haare gehen ihrer Wege. Aber es hat doch durchaus auch einen erfreulich Aspekt, das altern. Wenn man sein Leben nicht als Dummkopf verbracht hat, wird man für die äußerlichen und gesundheitlichen Unannehmlichkeiten, mit ein paar angenehmen Umständen belohnt. Man wird gelassen. Weiß, das Liebe durchaus möglich ist, wenngleich auch nicht in jener hysterischen Form, die wir in der Jugend gesucht haben. Zehnmal am Tag Geschlechtsverkehr, und sterben wollen vor Sehnsucht, das ist doch wirklich anstrengend auf Dauer. Die grosse Liebe ist das, was bleibt. Es ist klein und vertraut, es ist freundlich und hat einen dicken Bauch. Geliebt werden ist: Jemand erträgt dich. Er kocht dir ab und zu einen Tee und krault dir den Kopf. Will man sich unglücklich machen, durchaus legitim, denn es macht ja erinnernswerte Gefühle, sollte man ruhig weiter nach den Dingen suchen, aus denen Filme gemacht werden. Ein Kreischen über 90 Minuten. Da ist es doch wohliger mit dem kleinen stillen bäuchigem Glück zufrieden zu sein, den Tot nahen zu sehen, zu bedauern, aber lächelnd die Schultern zu zucken und sich zu sagen: was solls, so ist es eben. Bin ja nicht allein damit. An dem Tag, an dem ich Sterbe, werden ein paar Hunderttausend mit mir kommen. Und solange schau ich, das ich keinen Unfug anstelle. Ich mache das was ich mache sorgfältig, denn die Ruhe kann ich mir heute leisten, ich schaue mir Menschen genau an, und wenn ich sie nicht mag, verbringe ich meine rare Zeit nicht mit ihnen. Ich muss nicht mehr in Bars lümmeln um mir zu beweisen, das ich lebendig bin, und wenn es mir passt , ein Paar Tage im Bett zu verbringen weiß ich, das ich ausserhalb des Bettes nichts verpasse. Die Welt wird weiter und auch ohne mich ein Ort sein, an der immer wieder ein paar nette Sachen passieren,die sofort von Gier und Dummheit negiert werden. Ich werde das nicht ändern, aber ich kann ja so tun, als glaubte ich es zu können. Und die Liebe,mein Gott, die Liebe. Die wird ja wohl ein bisschen überschätzt. Kann ich nicht alle lieben, von Zeit zu Zeit. Kinder Omas , Opas, meinen Mann meine Frau meinen Hund, den Nachbarn, den Frühling, eine Tasse Kaffee auf dem Balkon im Herbst? Es macht alles dasselbe Gefühl von Behaglichkeit , und um viel mehr , kann es sich doch beim Besten willen nicht handeln müssen, wenn man bedenkt, das jeder Tag aus 1440 Minuten besteht.