Buchanfang, dem weder Mitte noch Ende folgte

On 12/07/2013 by Frau Berg

 

Irgendwas ist immer. . .

 

Mit 16 fing es an.

Davor war nichts.

Es waren da nur Momentaufnahmen, die auch aus Filmen hätten stammen können. Keine Gefühle dazu. Die begannen erst als ich begann.

mit 16.noch nicht wirklich. Da war in der Erinnerung nur ein Fremder.

Es war:

ZU HELL.

Und bloß nicht munter werden.

DAS WAR:

Einer der schwierigsten Momente, im Leben von Menschen,die weiter keine Sorgen haben:

lustlos wach zu werden weil es Zeit ist, zu hell ist, kein Schlafbedürfnis mehr vorhanden ist. Da war ich:

Ein junger Mann, wie heißt das korrekt, wenn es kein Kind mehr ist,von oben: Alles in Ordnung, alles dran, die Unterhose ein wenig gelb, vom nur nicht darüber denken, die Haare vielleicht braun,oder wie heisst die Farbe, wenn kein Licht auf alte Erde fällt, die Haut ein wenig zu hell um gesund auszusehen, etwas zu rot um interessant weiß zu wirken, weich das Fleisch, zu lang die Füße, zu groß die Hände die Nase irgendwie, die Augen, die waren schön, grün,oder wie heisst die Farbe wenn ein wenig Herbstlicht auf Moos trifft, ich hatte damals einen Hang zu naturvergleichen, weil ich vielleicht noch nicht viel anderes kannte, zum vergleichen—-. Sah aus,wie Menschen eben so aussehen, wenn sie noch nicht erwachsen sind. Alles irgendwie, stülpte sich, machte Beulen, saß nicht richtig, zuviel Sehnen, viel zuviel Knochen.

Das entspannt doch keinen, so auszusehen, so unfertig.

Der Innen und Aussenkontakt war noch nicht vorhanden. Meint: Beides fremd.

 

Der Junge hatte keine Ahnung, warum er aufwachen sollte, doch weiterschlafen gelänge nicht. Er würde sich auf den Bauch drehen, auf den Rücken auf die Seiten und Gedanken würden kommen, Kopfschmerzen und so weiter.

Er war wach und konnte nicht mehr richtig atmen, oder die Brust war zu klein, oder die Luft zu dick, was auch immer da genau passieren mochte, wenn das Unglück den Körper betritt.

Das muss was Chemisches sein.

Ein kompletter Tag. Neu und unsinnig lag er vor dem Bett, man konnte ihn sich ansehen und zurückschrecken, es war: ein Sonntag!

Das waren die Schlimmsten. Millionen Alleinstehender, die Woche wiederwillig verbracht, im besten Falle nicht darüber nachgedacht, saßen zu Hause,da es tickte, und machten Schwingungen,die übertrugen sich in die Atmosphäre , verdichteten sie zu einem dicken Seufzer, so einer der klemmte, und die Welt hielt die Luft an.

Gleich würde irgendwo in der Wohnung ein Staubsauger seine Arbeit beginnen, vermutlich ohne Menschliches zu tun, nur so,um Lärm zu machen und das unbedingte Gefühl der Heimatlosigkeit. Dann Kaffegeruch, auch nicht gut, wie die das nur trinken können, die da oben, das Zeug ist bitter, es ist LANGWEILIG.

Der Junge dachte nicht: ist das langweilig, er hatte nur ein Gefühl. Es war das eines Hochsommertages, grelle Sonne, irgendwo in Bukarest, Stalinbauten, verlassen oder zerbombt,ein Platz, leer, und über den müsste er laufen, eine halbe Stunde um dann wohin zu gelangen, wo es genauso wäre, so heiß, so leer und trostlos. Der Junge befand in einem Alter, da er sich kein Ende vorstellen konnte, und das bedauerte.

Das Gefühl ein Mensch zu sein war ihm neu und er kannte den noch nicht, den Menschen, der er sein sollte.

 

Des Jungen Zimmer war rührend, wenn man nasse Dackel mochte. Es bestand aus Socken. Männern, auch noch nicht ausgewachsenen, fehlt der Blick für Ordnung und Harmonie. Wie Hunde keine Farben sehen können, ist das, und ihnen nicht vorzuwerfen. Sie könnten inmitten aufgetürmter leerer Pizzaschachteln sitzen, eine Made machte ihren Weg,und sich wohlfühlen, natürlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten die meinen: leer sein.

Der Junge stellte seine Füße auf eine Art verrückt gewordenen Teppich vor seinem Bett. Gehäkelt, eventuell aus Nachgeburten oder den zerrissenen Kleidern seiner Mutter, auf der Insel wollte sie ihm sagen, war ihr Lieblingsfilm damals. Verschiedenen Grautöne. Ob seine Mutter an Jim Morrisons Grab war? Oder stammte sie aus einer anderen Generation? Eminem, Sex Pistols, die Zeiten zu denen Kinder sich ihre Eltern nie anders als bekleidet in Ledersesseln vorstellen konnten, waren bedauerlicherweise vorbei. Keiner mochte doch seine Mutter betrunken urinierend an Jims Grab wissen, doch sie wollten nicht mehr alt werden, die Alten. Sie trugen die selben Trikotagen und gingen an dieselben Konzerte wie ihre Kinder. Doch sie täuschten niemanden damit. Sie konnten ihre Bäuche zeigen, und sich liften, und fit sein aber ihre Aura war ALT. Nie würde er so alt werden, wie seine Mutter, das war dem Jungen klar. Sie war von einem anderen Planeten, so fern. Er wusste nicht, worum es Menschen wie ihr ging. Was sie dachten. Ob sie Gefühle hatten. Weil er so stark fühlte und nicht wusste was, dachte er, der einzige zu sein,auf der Welt, dem es so ginge, so aufgewühlt.

Fern, auf dem Teppich, lagen zwei unzubereitete Bratwürste, das waren des Jungen Füße, vermutlich, und während er die ansah, sie bewegte um sicher zu gehen, das sie ihm gehörten, überlegte er, warum sie ihm gehörten und ob es einen Ort gäbe, der alles ändern würde. Einen Ort, da er aus dem Bett spränge, und wüsste, was zu tun sei. Einen Ort, da er unbedingt ohne seine Füße wäre.

Der Ort mochte ihm nicht einfallen, ohne Füße konnte er sich nicht vorstellen, doch ein Zustand kam ihm, und der war: erwachsen zu sein, natürlich völlig anders als seine Mutter, war klar, und weit weg damit.

Zeitlupe, Schwerelos, das Licht golden und langsam eine Quelle umrunden, an der Kitze äsen. Schon wieder so ein Naturbild.. .

Der Junge hieß Paul. Pohl, nannte ihn seine Mutter. Ob sie an Poohl McCartney gedacht hatte, bei seiner Geburt, fragte er sich lieber nicht, das wäre zu erbärmlich. (Die Wahrheit war-seine Mutter hatte an nichts gedacht, damals, ausser-lass den Mist vorbei gehen, das ist ja furchtbar,mach das weg, und dann sah sie das an, was aus ihr gekommen war, es war rot und sah einfach nach POHL aus.Dann halt.)

Pauls Mutter wollte nicht unbedingt ein Kind. Sie war versehentlich schwanger geworden, vermutlich in Folge eines Geschlechtsverkehrs (Eine Bar, die sahen ja schon lange nicht mehr aus wie Bordellempfangshallen, sie war da weil es regnete, ein Italiener auch, ein Schauspieler, sie tranken zusammen, er sang Lieder aus Padua, er wurde immer schöner, sie gingen in sein Hotel, es war der kürzeste Akt ihres Lebens, soviel zu den Italienern)und hatte dann gedacht,warum nicht. Ein Kind ist ja auch etwas Schönes. So natürlich. Im Verlauf der Schwangerschaft, hatte sie 20 Kilo zugenommen und daran gezweifelt, das die Idee wirklich brillant gewesen war. Sie hatte sich wie eine KUH gefühlt,und in der Nacht träumte ihr, das sie hektisch nach Möglichkeiten suchte, das Baby umzubringen. Zum Glück hatte sie sich später an den Jungen gewöhnt,doch unterdes war ihr klar, das es einen naturgegebenen Kinderwunsch nicht gab. Sie fand es nach wie vor naturgegebener eine spannende Arbeit zu haben und nette Dinge einzukaufen, sich damit vor den Fernseher zu legen, im Anschluss,als sich Jahrelang mit Bauklötzen und Berichten aus dem Kindergarten zu langweilen-Pauls Mutter hatte gelernt diese Gedanken für sich zu behalten. Sie hatte keine Lust sich immer wieder dem Sturm der verzweifelten Empörung von Müttern auszusetzen, die mit der Nachgeburt auch ihren Humor und ihre Objektivität verloren hatten. Wegen Evolution. Wegen keinen Ausweg aus ihrer Lage. aus ihrem Irrtum sehen.

 

Die Kindheit war Paul nur wenig entfernt, ihr Geruch noch in manchen Ecken und ihm fremd. Er legte dann schnell eine Socke darauf. Paul erinnerte sich ungern an früher. Was es da auch zu erinnern gäbe. Das übliche Grün-rot-goldene Kindheitserinnerungsprogramm. Unglück wegen irgendwas und sich ausgeliefert fühlen ohne das Wissen um den Zustand und Wut darum, und Angst und Feste mit Essen und Geschenken, Angst und Freunde die nicht da waren, Feinde um die man Bogen machen musste, und Angst und Unholde unter dem Bett.

„Was machen sie unter meinem Bett?“

„Ach, ihr Bett ist das?Wüsst’ ich aber. “

„ Mein Bett ja. “

„Hat das nicht vielleicht ihre Mutter gekauft, das Bett mit dem Scheissbezug mit den Scheissmönden? Ist es nicht gleichsam so, das ihnen gar nichts gehört?Und was haben sie da übrigens für einen albernen Pyjama an?“

Schweigen. Schlucken. Abgang.

Gegen Unholde gewinnt man nie.

 

Dann war Paul gewachsen, die Hormone,die Gliedmassen und was dazu gehört, die Unholde verschwanden, sie mochten den Geruch der Pubertät nicht, und irgendwann war Paul traurig geworden. Er hätte nicht zu sagen gewusst, was ihn traurig machte. Weil er noch nicht richtig zu denken in der Lage, weil er noch nicht viel gesehen hatte,und was er sah war immer das erste mal und ihm GELB. Alles was er sich vorstellen konnte, unter seinem Leben machte ihm ANGST. Er wollte keines der Leben, die er sah. Er wollte so nicht werden, wie er meinte, das Erwachsene waren: ohne Mitleid. Das Leben schien ihm ein offenes Meer, er in der Mitte, und wusste nicht, ob es ein Ufer gäbe. Seitdem erwachte er schwer, an Sonntagen.

Der Staubsauger fing an zu arbeiten,(wie man die hassen konnte, die Menschen, die sowie sie Zeit hätten, um Bücher zu lesen oder etwas zu häkeln-Krach machen mussten. Staubsaugen, bohren, Wagen reinigen, Rasen mähen,und sich laut räuspern dabei, hochziehen, ausspucken, niesen das alles bebte- ) und die Füße lagen immer noch auf dem Läufer und draußen schien immer noch die Sonne und es war Sommer,immer noch, seit Monaten,und der war an Sonntagen besonders schlecht auszuhalten. Sonntag mit Regen und Schnee ging. Hieß im Bett bleiben und irgendetwas lesen, was anstrengend war. Musil oder Kant oder Bulgakow egal, Hauptsache es tat weh. Wenn es eine Entwicklung gibt, in einem Leben, so kann es nur die zur Einfachheit sein. Das dachte Paul nicht, Paul dachte :ich werde etwas unternehmen. Vielleicht war da ein Traum, vielleicht ein Gefühl, er sah das Zelt unter dem Schreibtisch und er sah sich darin. In dem Zelt liegen und schlafen, vorher im See baden,(wie ein dünnes Tuch liegt das fade Licht des Sommerabends über dem See. Es ist absolut still. Noch nicht mal Insekten. Die sind beim Yoga. Das Wasser ist so ruhig, das es die Berge spiegelt, das sie wirken wie Höhlen unter dem Wasser. Der Geruch von Seewasser im Sommer, und da kommt die Nacht, wie von einem leisen Lied begleitet, wird dem Licht die Farbe entzogen, Sterne tauchen auf, und nun, nun beginnt es lebendig zu werden, die Feuchtigkeit in der Luft legt sich auf die Haut, Grillen singen um ihr Leben, der Verfall ist nur eine Ahnung und so weiter) Paul wurde es romantisch und er vergaß sich für einen Moment. Seine Mutter war irgendwo, vielleicht war sie gestorben oder beim Yoga oder was für einen Quatsch sie gerade anstellte. Wie fast alle die Paul kannte, lebte er allein mit seiner Mutter. Oder die Mutter lebte mit einer Freundin oder mit ihrer Mutter, auf jeden Fall gab es kaum noch Väter. Es gab auch nicht mehr viele Kinder. Die Frauen, die noch welche wollten, weil sie sich langweilten, ließen sich irgendwann, meist um die 40, künstlich befruchten. Das war ihnen sicherer. Nicht mit der Loyalität eines Mannes rechnen zu müssen, die sowieso nicht erfolgte. So gab es kaum mehr männliche Vorbilder, was sich auf die Jungen in Pauls Alter nicht nachteilig auswirkte. Sie lernten Frauen als überlegen zu akzeptieren, sie mussten nicht mehr breitbeinig auf Sesseln sitzen und Mutproben machen. Ein Junge der Bücher las oder eine Brille trug, der Angst vor Gewitter hatte, war normal geworden, und die Ausnahme waren Jungs die auf den Boden spuckten, kein Deo benutzten und zur Armee wollten. Sie galten als gefährlich.

Pauls Mutter war eine nette Person. Sie mochte Bücher und traurige Filme, sie aas gerne asiatisch und hasste es zu kochen. In einem Supermarkt Waren in einen Korb zu legen, die heimzutragen in einen Topf zu geben, das zu essen und später die überreste aus dem Darm zu entfernen schien ihr zu menschlich. Pauls Mutter hatte Humor und sah in keiner speziellen Art irgendwie aus, aber sie roch gut, und hatte ein angenehmes Gesicht. Vielleicht war sie 40 oder 50, sie hatte, was das anging, so oft gelogen, das sie sich selber nicht mehr sicher sein konnte. Pauls Mutter hatte kein Problem damit älter zu werden, außer dem, das alle Menschen hatten: sie wollten nicht sterben, nicht daran erinnert werden, das sie verfallen, mit jedem Jahr mehr, und innen scheint doch alles alterslos. Wer mag sich schon gerne vorstellen, nichts mehr zu sehen und zu schmecken, zu verfaulen von Würmern ausgehöhlt zu werden. Das bekommt doch keinem, der Gedanke. Pauls Mutter trug keine unwürdigen Dinge, sie ging nicht auf Partys,sie verwendete keine Räucherstäbchen, sie glaubte nicht, das ein Mann ihr Leben großartig ändern würde, und sie war einsam manchmal, wie alle Menschen, egal ob allein oder nicht. Sie hatte mit Paul wie mit einem kleingewachsenen Freund gelebt, hatte lange Sonntage im Bett mit Filmen und geliefertem Essen verbracht, mit ihm in der Badewanne Masken ausprobiert und ihm ihre Sorgen erzählt, die er nicht verstand, aber einschlafen konnte er gut im Mantel ihrer traurigen Stimme. Doch leider war die Zeit in der sich Paul eins mit seiner Mutter gefühlt hatte, vorbei. Irgendwann war er zu einer eigenen Person geworden und die Einsamkeit hatte begonnen. Seine Mutter teilte seit dem ihr Leben mit anderen. Ab und zu traf sie sich mit einem Mann, das merkte Paul daran, das sie nach einer Weile mit roten Augen in ihrem Bett blieb und „Ist das Leben nicht schön oder“Mein Freund Harvey“ sah. Für Pauls Mutter genügte es in diesen emotional unstabilen Zeiten ein Foto von James Steward zu sehen, um zu weinen. Ihr war klar, das sie alleine bleiben würde. Sie war eigentlich damit einverstanden, denn sie wüsste nicht, was genau sie mit einem Mann machen sollte, neben ihrer Arbeit, Pohl, den Freunden, den Büchern, dem fernsehen, dem Kino, dem Theater, den Restaurants, den Tagen im Bett, doch sie litt ab und an gerne, weil es ihr so ein Ausnahmegefühl vermittelte.

Paul verstand noch nichts von der Liebe. Oder alles. Er liebte seine Mutter, ohne das er es je so genannt hätte, er vermisste sie, wenn sie längere Zeit nicht da war, er hatte keinerlei körperliche Scheu vor ihr, er vertraute ihr. Und doch musste er seit einiger Zeit weg von ihr. Weil er dumm war. Weil er nicht wissen konnte, das er sein Leben lang nach so einer erfüllten Liebe suchen würde.

 

 

 

16,ein halber Sonntag

Wenn Paul etwas wirklich hasste, dann waren es Sonn- und Feiertage. Er hatte keine Ahnung, wann das angefangen hatte. Diese Abhängigkeit von äusseren Abläufen. Er glaubte, es sei einmal anders gewesen, so, das er sich keine Gedanken um Wochentage gemacht hatte. Das alles nur aus Sonne oder schlechtem Wetter, drinbleiben oder Eisessen bestand. Er konnte das nicht mehr nachvollziehen, die Aufregung, die so etwas wie Essen beinhaltete. Spaghetti, und Fischstäbchen und Tortenböden- Vielleicht ist man als Kind eher wie ein Hund. Sich einfach nur freuen, wenn einer einen Stock wirft.

Wenn wenigstens einer etwas werfen wollte.

Von draußen kam entschieden zuviel Licht und es war noch so morgen. Der Tag würde unangenehm heiß, und in der Stadt diese Art von eiserner Stille sein, die es an hellen Sonntagen hat. In New York gäbe es das bestimmt nicht. Diese Stimmung wie nach einem Atombombenabwurf. Da wären die Läden offen, ganz normal, und die Menschen unterwegs. In guter Absicht. Doch Paul müsste, um sich mit einem Lächeln in New York aufzuhalten, ein anderer sein. Vielleicht ein Computer-Wunderkind. Nur mit sich, das war ihm klar, wäre nichts anders. Er sässe in einer kleinen Wohnung, seine Mutter beim Yoga, draußen wäre es zu hell, und er hätte keine Ahnung, was er machen sollte. Paul wusste nicht, warum ausgerechnet er so ein uninteressanter Mensch seien musste. Als interessante Person würde er jetzt ein Buch lesen und sich Notizen machen. Dazu würde er Free Jazz hören. So saß er in seinem Zimmer, das irgendwie nicht stimmte, und schaute seine Füße an. Warum haben Zehen eigentlich Nägel? Als interessanter Mensch würde Paul sofort eine kleine Leiter in seiner 8 köpfigen Bibliothek herumschieben um nachzuschlagen, was Aristoteles dazu zu sagen hätte. Ein interessanter Mensch würde sich aus dem Bett schwingen, und rausfahren, in die Natur um dort Studien zu vervollkommnen. Irgendwas mit Goethes Farbenlehre.

Paul nahm sich vor, ein interessanter Mensch zu werden. Paul musste irgendwann unbedingt ein Zelt haben. Das war vermutlich in der Zeit, wo er eine Wohnung für sich alleine wollte. Abgrenzung oder so etwas. Er hatte das Zelt in seinem Zimmer aufgebaut und war relativ zufrieden. In einer Art die ihm abhanden gekommen war. Essensvorräte und Pappscheiss als Möbel in dem Zelt und er wusste nicht mehr, was er da gemacht hatte, Stundenlang. Die Hormone hatte die Phantasie weitgehend verdrängt.

Paul betrachtete das Zelt und würde also einen Ausflug machen. Es ist wirklich nicht einfach sein Leben zu gestalten, dachte Paul, als er sich langsam und gelangweilt anzog um den Sonntag zu einem außergewöhnlichen Ereignis werden zu lassen.

 

 

16 ein halber Tag und ein paar Minuten

unterwegs. Mit dem Rad, auf dem Weg durch die Stadt, die in absoluter Trostlosigkeit nicht nicht mal schlief. Die war tot. Es befand sich niemand auf der Strasse und natürlich bellte auch kein Hund. Die waren beim Yoga. Die Hitze war so hell, das die Häuser wie erstickt schienen. Na über den Satz denk mal nach, dachte Paul und wollte umkippen, mit dem Rad einfach zur Seite fallen, und liegen bleiben. Eine große Langeweile hatte seine Beine erfasst.

Warum das denn? Warum stellte sich kein Spaß ein. Der wurde doch dem Aktiven immer versprochen. Lachende Jogger die Kaugummi essen. Idioten die mit Mountain Bikes durch Natur heizen. Und sich trimmen und Pilates und Spinning und Power Yoga und alle rannten und schwitzten und stählten sich, trugen Laibchen, rochen ihren Schweiß gerne, und warum wollten gerade die uninteressantesten Menschen auf Teufel komm raus länger leben?

öde Strassen, die in öde Felder übergingen, die Wege ausgewaschen-jetzt bitte Drogen. Paul war einmal betrunken gewesen, an irgendeinem Fest seiner Mutter, hatte er in der Küche eine Flasche Wein getrunken. Der Zustand war nicht schlecht. Es war so wenig spüren. Aber das erbrechen im Anschluss war die Sache nicht wert gewesen.

Die Beine waren müde, zu sehen nichts, weil die Sonne in die Augen fiel, Schweiß am Hemd und noch nicht mal Musik dabei—

Bis zu jenem Moment hatte der Entschluss den Tag aktiv zu gestalten Paul nicht wirkliche Freude gebracht. Manchmal war das so, das nichts einen aus einer Stimmung zu helfen vermochte. In letzter Zeit war es fast immer so. Paul wollte einfach nur sitzen und sich über seine Füße ärgern. Doch da war sein Körper und der war so nervös und kribbelte. Die gingen nicht zusammen, derzeit, der Kopf, der immer nur starren wollte und der Körper der rennen wollte, unentwegt oder etwas ähnliches, wovon er noch keine Ahnung hatte.

Paul schwitzte, und glaubte vor langer Weile sterben zu müssen, er hasste Radfahren aufrichtig, und als er endlich angekommen war, da, wo er eigentlich gar nicht hinwollte, hatte sich nichts geändert. Der Tag nicht, die Hitze nicht und die Stimmung überhaupt nicht. Der See roch modrig, und natürlich war da auch niemand. Wäre da wer, wäre es noch schlimmer. Familien vielleicht, die Würste grillten und Musik hörten. Oder Teenager. Paul würde Teenager nie Teenager nennen. Es waren für ihn die einzigen Menschen, die er als seiner Rasse zugehörig empfand. Was älter oder jünger war, als er selber, nahm er nur als Störung wahr. Damit konnte er sich nicht auch noch befassen.

Und dann also das Zelt aufbauen, am Ufer, inmitten Schilf und Mücken, Schlamm und leerer Vogelnestern und der Boden war feucht und steinig, dunkel, mit verfaultem Holz. Paul kauerte neben seinem Zelt, wehrte Mücken ab, wenn er sich bewegte, gluckerte der Boden, und schwarze Feuchtigkeit schmurgelte zwischen den alten Zweigen hervor. Romantisch war das nicht. Die Romantik mochte sich nicht einstellen. Das immer alles so viel schäbiger war, als man es sich dachte. Vielleicht nehmen die Menschen Drogen, weil es sonst so unerträglich normal ist, alles,und so wenig Glamour. Vielleicht würde sich die Romantik einstellen, wenn er ein wenig im See schwömme. Nackt. Dachte sich Paul. Traute sich aber das nackt nicht. Nackt sein war etwas, das ihn nervös machte, in einer Art, die er nicht verstand. Onanieren war etwas, das ihn nervös machte. Verstand er auch nicht. Paul kauerte, die Beine schliefen ihm ein, er hätte sich in sein großartiges Zelt legen können, da war es zu heiß, und kapitulieren war nicht drin, denn zu Hause war nichts, was nicht noch schlimmer gewesen wäre. Also Baden. über die Zweige, die im Schlamm steckten, mit den kleinen Füssen, durch das Schilf, das ihm ins Gesicht schlug, er sank in Schlamm ein,der fast lebendig schien, er roch das brackige Wasser, und musste durchhalten. Weil es nur eine Alternative gab. Die wäre umfallen und starr werden, doch dazu taugte der Boden nicht.

Durchhalten, das war auch so etwas. Konnte sein das man belohnt würde danach. Oder auch nicht,und dann hatte man einfach nur Zeit verloren, doch an Zeit dachte Paul noch nicht, die war ja noch unendlich vorhanden, fast zuviel. Paul schwamm und es war anstrengend, wie radfahren, oder wandern, auch so was schreckliches, und schwamm und irgendwann spürte er sich nicht mehr. Das Wasser wurde weicher und roch besser, die Sonne wurde milder, Paul vergaß an seinen Körper zu denken, an das Ufer zu denken, an den Sonntag zu denken, er roch nur und das Licht wurde golden, weil die Sonne unterging, und er schwamm einmal um den See und zurück und als er wieder Boden unter den Füssen hatte, begann er zu onanieren. Das ging ja immer. Verlieh jeder noch so trüben Sequenz eine gewisse aufregende Verruchtheit.

Kurz bevor Paul zu einem Ende gelangte, öffnete er seine Augen und sah am Ufer: ein Mädchen.

 

Der Schock ist ein lebensbedrohlicher Zustand.

Ursachen können sein:

Blut- und/oder Flüssigkeitsverlust

Weitstellung der Blutgefäße

Störungen der Herzfunktion

Erkennen:

Fahle Blässe

Frieren, Zittern

Schweiß auf der Stirn

Unruhe

Teilnahmslosigkeit

 

Fiel Paul zu dem Zustand, der in ihm war ein.

Das Mädchen stand am Ufer und schaute auf den See. Paul tauchte den Kopf unter Wasser, begann hektische Bewegungen zu machen, hab nur ein wenig gewackelt unter Wasser. Macht man ja mal. Doch als Paul eine Weile gewackelt hatte, und es wagte, das Mädchen wieder anzusehen bemerkte er, das sie ihn gar nicht wahrnahm. Sie schaute den See an, die Sonne, das Gegenlicht, und dachte Mädchendinge. Sie schaute, Paul stand, nach Minuten, seine Haut war blau unterdes, musste etwas passieren, so schlug sich Paul durch das Schilf, er schüttelte sich die Haare aus wie ein Hund, und ging so entspannt wie es auf spitzen Zweigen möglich war, zu seinem Zelt. Das Mädchen hatte sein Fahrrad auf dem Boden liegen und sah Paul an, mit dem leeren Blick eines Menschen, der nicht wusste,woher er den anderen kennt.

Wie sie schon taten, wie Menschen. Und auch nicht weiterwussten. Sie hatten es verlernt sich wie Tiere zu beriechen und zu mögen oder nicht und dann übergangslos Burgen zu bauen.

Schweigen. Schwarze Zweige in den Fußsohlen, die Badehose so nass, das Wasser lief die Beine hinab, ein wenig wie sich einpinkeln, Gänsehaut auf der Brust, die Haare tropfen.

„Paul. Wir kennen uns aus der Schule. “

„Helena. Ja, stimmt. “

Sie kannten sich also auf der Schule, hatten sich da stehen sehen, in Marsentfernung voneinander. So fremd wie man sich ist, eine Klasse über oder untereinander.

Pauls Zähne schlugen aufeinander. Die Sonne tauchte in den See, wilde Tiere kamen aus dem Unterholz.

Nach weiteren 10 Minuten des frierens und stammelns wurde es nicht besser, aber weniger peinlich. Paul trocknete, er zog sich hinter dem Zelt um, überlegte sich, was er mit dem Mädchen reden könnte, zu dem Zeitpunkt war er bereits verliebt,das wusste er natürlich nicht, es war ja das erste mal, er dachte: lass sie nicht gehen, wer auch immer, lass sie hierbleiben und er zog sich an, und die Füße im schwarzen Morast, und wie bringt man schwarze Füße in eine saubere Hose, und stolpern und lass sie noch da sein. Sie war noch da. Aus irgendwelchen Gründen, war sie noch da, doch die Sonne verschwand. Es wurde ein wenig frisch , später, da saßen sie aber bereits im Zelt, dort hatte es keine Zweige, der Mond kam vorbei, und sie begannen zu reden. Jeder für sich erst, dann erstaunt, das der andere da war, und so ähnlich dachte. „Wenn ich meine Eltern beobachte, sie denken natürlich nicht, das ich sie beobachte, weil ich für sie ja ein Kind bin, aus ihnen entstanden, und somit nur ein Teil ihrer selbst, dann habe ich furchtbare Angst. Sie haben eine gute Ehe. Das sagen sie jedenfalls zu anderen. Und sie sitzen doch da und mein Vater sagt: Kannst du mir bitte mal das Brot reichen. Und meine Mutter sagt: gerne. Und sie haben weisse gebügelte Blusen an. Und abend s geben sie sich einen Kuss auf die Stirn. Ich möchte so nicht leben. Es muss doch noch mehr geben. Wildere , größere Dinge. Ich habe den Wunsch nach einem Leben, das sich anfühlt, als sässe man auf einem dieser Karussells, so mutig und schnell. ich möchte ein schnelles Leben. Und ich habe Angst es nie zu bekommen.“

Ich habe noch nie darüber nachgedacht, wie sich ein Leben anfühlen sollte, sagte Paul.“ Das ist typisch, sagte Helena. Jungs denken nie über irgendetwas nach. Sie handeln , und dann sind sie schon auf der Gewinnerseite, weil meistens handeln sie nicht, sondern sitzen nur in unaufgeräumten Zimmern und hören Musik, und dazu spielen sie Luftgitarre , wenn es hoch kommt. Jungs machen etwas und dann stehen sie da, und schauen sich erstaunt an, in welchem Schlammassel sie sich wieder gebracht haben. Sie haben die falschen Hormone, die machen, das sie nicht denken können.“ Paul hatte das Gefühl, noch nie so gut geredet zu haben, noch nie so verstanden worden zu sein, nicht mehr allein zu sein und er schaute auf das Mädchen, so etwas Schönes hat er noch nie gesehen. Aber vielleicht war es auch nur das Licht der Sterne, durch das Dach des Zeltes, war das Licht orangegold, oder es waren die Tiere, die sangen, oder die Luft, die immer noch so warm war und feuchter wurde. Dann schwiegen sie, es war so spät geworden.“Vielleicht sollten wir einfach ein bisschen schlafen.“ sagte Helena. Und dann lagen sie, das Licht war nur noch golden und das Mädchen schlief ein, sie tat natürlich nur so, wartete, das etwas passierte. Und Paul schlief ein, tat natürlich nur so, wartete, das er den Mut hätte, etwas passieren zu lassen, und hatte doch keine Ahnung, was das sein sollte. So versuchte er , seine Nase nah an das Haar des Mädchens zu bringen, ihr Haar in den Mund zu nehmen, ihr Gesicht an sein Gesicht zu legen, und Helena schlief ja und drehte sich ein wenig zu ihm hin, im Schlaf , alles klar. Die Nacht soll nicht aufhören, dachte Paul, und er fühlte sich , wie in einem Schlaf. Das konnte nicht war sein und wach, das er da lag, und nicht mehr alleine war, und so eine große Zärtlichkeit war in ihm, das ihm ganz weich wurde, und er nicht aufhören konnte, zu lächeln. Doch der Tag kam, immer kommt der , als Morgendämmerung, irgendwo ging sie auf, oder die Welt drehte sich zu ihr hin, das wusste Paul nicht mehr, und er versuchte sich zu erinnern, an die Sonne, die Erde, an sein Leben, und hatte doch alles vergessen. Helena lag in seinem Arm. Und es war das erste mal. Als sie die Augen öffnete, lächelte sie. 2Das war die schönste nacht, seit langem, „sagte sie und „versprich mir, das wir uns nicht böse sind, wenn es nicht mehr geht. Dann werden wir uns freundlich verabschieden, und uns als Erinnerung behalten“ Dann stand sie auf,und stieg auf ihr Rad. Und Paul stand da, und versuchte zu verstehen, was geschehen war, was sie gesagt hatte, doch es blieb ihm ein Rätsel, alles. Es war 6 Uhr, die Vögel schon munter, der Tau in der Luft, und es war der vielleicht unendlichste Moment seines Lebens. Doch das wusste er zum Glück nicht. Wie hätte er sonst weiterleben können?

 

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