Hassrandale

On 09/06/2013 by Frau Berg

Der Vorhang senkt sich wenn auch meist nur noch gefühlt. Ein Stück ist zu Ende. Eine Oper zum Beispiel. War es eine kleine Produktion, haben 50 Menschen zwei Monate an dieser Inszenierung gearbeitet, die meisten sieht man nicht, sie sind in der Technik, im Bühnenbau, in der Tonabteilung, in der Schneiderei. Die Requisite fieberte an diesem Abend genauso mit wie die Maskenabteilung. Zwei Monate Angst, Spaß, Verwirrung und harte Arbeit. Sicher eine privilegierte, denn jene die am Theater oder an der Oper arbeiten, müssen nicht in einen Bergbau. Aber dennoch Arbeit, außer bei den Stars nicht besonders üppig bezahlt, mit vielen Überstunden. Selber gewähltes Schicksal. Sicher. Die Sänger und Schauspieler , die Regisseurin wollen wir auch kurz erwähnen, im Theater auch meist mies bezahlt, wollen sie immer und bei jeder Inszenierung die Welt neu erfinden. Jetzt endlich, heute, in dem Moment, wird es der perfekte Abend, denken alle, denn keiner am Theater oder Oper nimmt sich vor, mal so richtig zu scheitern. Meist bleibt der eine rauschhafte Große Abend aus, denn die Gefahr wenn 50 oder eben 100 Menschen zusammenarbeiten ist, dass Dinge nicht vollkommen reibungslos zusammenpassen, die Phantasie sich nicht mit der Realität vereinbaren lässt, ein Video zu hell, ein Einsatz zu laut, ein Sänger ist krank, dann springt ein anderer ein, seine Mutter ist gerade krank, dann fällt ein Scheinwerfer aus, ein Kronleuchter runter, was kann alles schiefgehen. Egal, der Große Abend ist vorüber , alle Beteiligten hoffen auf das Wohlwollen des Publikums. Das gibt es nicht, Verhaltenes Klatschen und dann fangen die ersten Buhrufe an. Entrüstete Zuschauer die entweder ihre Erwartungen , wo auch immer die her kamen, nicht erfüllt sahen, oder die mit der Leistung eines Künstlers unzufrieden waren, einen Schauspieler nicht mochten oder die Regisseurin blöd fanden, vielleicht gefiel ihnen auch ein Video nicht, aber das können sie ja nicht wissen im Publikum, wer von den Schwarzgekleideten dafür zuständig ist. Es wird gebuht, und ich kann ihnen sagen, es gibt wenig auf der Welt, was widerwärtiger wäre. Stellen sie sich vor sie arbeiten in einem Laden, in einem Büro, sie sind IngenieurIn oder Zahnärztin, sie sind Lehrer oder Maler, und immer dann wenn sie die Erwartungen Fremder nicht erfüllen, werden sie ausgebuht. Der Patient hatte sich eine andere Füllung imaginiert. Buhe. Rotten buhender Menschen im Museum vor Bildern die schwer zugänglich sind. Buhende Menschen im Kino. Mir stellt sich die Frage, ob Menschen die bei Premieren so entäußern wissen, was sie da tun? Gibt ihnen der Erwerb einer Eintrittskarte wirklich das recht Künstler zu traumatisieren? Ich habe von Sängern gehört, die ihre Laufbahn wegen Buhrufer beenden mussten. Regisseure die zu trinken begannen , aus eigner Erfahrung darf ich ihnen verraten das sich die Premierenverbeugung nur noch zitternd und mit Ohropax überstehe, und ich frage die buhenden Menschen, was denken sie sich dabei? Können sie nicht einfach den Beifall verweigern Aufführungen meiden , die ihnen zu gewagt erscheinen, in der Pause leise und höflich verschwinden? Werden ihre Erwartungen im Leben sonst immer erfüllt und ist irgendjemand dazu da, genau das zu tun? Ist ihr momentanes Unbehagen so wichtig, das es rechtfertigt eine Karriere zu beenden, oder Menschen den Spaß an ihrem Beruf zu verderben. Haben sie Mut, buhen sie in der Bank, buhen sie vor Rohstoffhandelsfirmen, buhen sie wenn wieder ein schönes Gebäude in ihrer Stadt verschwindet, buhen sie an Autobahnen die unser Leben eklig machen und vor Nestle buhen sie bitte Tag und Nacht. Aber überlegen sie sich, was sie bei einem Theaterbesuch damit anrichten können, ob sie alleine mit einem Künstler den Mut hätten ihn an zu buhen oder ob sie nicht mehr sind als ein pöbelnder Online Kommentator der die Dunkelheit der Masse für seinen Mut benötigt.

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